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Columbus war ein Englaender

Columbus war ein Englaender

Titel: Columbus war ein Englaender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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ich noch nicht und hatte keine körperlichen oder sexuellen Gelüste zu befriedigen. Für mich war da nur ein großes Loch, ein Ziehen, ein Hunger, eine Öffnung, eine Lücke, ein Spalt, ein Verlangen . Also, das nenne ich pleonastisch.
    Ich erinnere mich noch, daß ich in der Prep School auf der Bettkante eines Jungen saß und mit seinem (wie es mir damals schien) riesigen und steinharten Penis spielte. Ich starrte dieses Wunder an – die Situation hat sich bis ins kleinste Detail unauslöschlich in meinem Kopf eingebrannt – und dachte: Was jetzt? Ich weiß, es macht Spaß, es ist wichtig, es ist Teil von etwas ganz Großem, aber was jetzt? Soll ich ihn essen ? Soll ich ihn küssen? Soll ich versuchen, mit ihm zu verschmelzen und eins zu werden? Soll ich ihn abschneiden und mit in mein Bett nehmen? Soll ich ihn mir ins Ohr stecken? Worauf läuft das alles hinaus? Ich finde diesen Schwanz nicht schön oder attraktiv, offen gesagt ist er sogar eher häßlich, aber ich weiß, er gehört irgendwie zu einer ganz großen Sache.
    Nachdem ich so heftig gegen diejenigen vom Leder gezogen habe, die glauben, Homosexualität drehe sich ausschließlichums Arschficken, sollte ich vielleicht klarstellen, daß ich nicht behauptet habe, Homosexualität habe nichts mit Sex zu tun, sondern lediglich darauf hinzuweisen versucht habe, daß der Schwulenhasser sich nicht durch den Aspekt der Sexualität bedroht und aus der Bahn geworfen sieht.
    Geht es unter Homosexuellen überhaupt um Sex? Du meine Güte, ja, natürlich geht es unter Homosexuellen auch um Sex. Um sexuelle Anziehung, Stimulation, Erregung im Kopf und zwischen den Lenden und zuletzt natürlich auch um den Orgasmus. Gar kein Zweifel. Es geht auch um Liebe, die ja bekanntlich das Größte überhaupt auf der Welt ist, aber das heißt nicht, daß es nicht auch um Sex geht, der sein Möglichstes tut, die Dinge zu vereinfachen. Wenn es denn ausschließlich nur um Sex ginge ... wie unbeschwert und fröhlich wäre die Homosexualität, wie unbeschwert und fröhlich wäre die Heterosexualität . Zumindest bleiben uns Shakespeare, Tolstoj, Beethoven und Cole Porter als Trost für all die Qual und den Seelenschmerz.
    Ich hockte also auf der Bettkante und huldigte dem steifen Götzen, im Bewußtsein, daß ich nie von ihm abfallen würde. Dennoch fehlte die Verbindung, im Grunde war da nur ein knorpeliges, geschwollenes Ding – der arme Kerl wartete nur darauf, daß ich voranmachte, damit er sich in Ruhe schlafen legen konnte, während ihm meine psychischen und romantischen Verwicklungen völlig schnuppe waren –, aber für mich war das Ding in meiner Hand einerseits ein mächtiges Symbol für etwas sehr Wichtiges und gleichzeitig bloß der Schwanz eines anderen Jungen, nichts weiter; die unerklärliche Zweideutigkeit dieses Schwanzes, sein strotzendes Drängen auf der einen und meine dunkle Vorahnung von dem besonderen Gewicht und der Bedeutung dieses Augenblicks für mein Leben auf der anderen Seite, gab der ganzen Situation, wie auch dem Schwanz selbst, etwas zutiefst Absurdes, Komisches und auch leicht Beängstigendes.
    Ich mußte kichern.

4.
    Zu Beginn meines zweiten Jahres in Uppingham lag ich mit meiner Sexualität genauso über Kreuz wie zuvor. Vermutlich hatte ich inzwischen eine genauere Vorstellung von einzelnen Begriffen und deren Bedeutung: Cunnilingus, Natursekt, Fallopische Röhre, Epididymis, Schlitz, Muschi, Titte, kalter Bauer und Kitzler, ich hatte sämtliche Ausdrücke drauf. Aber genausogut wußte ich, was eine verminderte Septime war, ohne deswegen musizieren oder singen zu können. Ich wußte, was ein angeschnittener Ball war, konnte aber trotzdem keinen Wurf beim Cricket machen, ohne daß einundzwanzig Jungen sich lachend auf dem Spielfeld kringelten. Wissen ist eben nicht immer Macht.
    Die erotischen Freuden des Lebens interessierten oder beschäftigten mich wenig, da ich weder körperlich weit genug entwickelt noch sexuell reif genug war, das dringende Bedürfnis zu verspüren, »das verdammte Zeug loszuwerden«, unter dem die anderen so fürchterlich zu leiden schienen, wenn sie kichernd und stöhnend ihre ›Penthouse‹-Magazine und Kleenex-Boxen untereinander weiterreichten. Mich beschäftigte zuallererst der Sport und wie ich mich davor drükken konnte. Oder auch, wie ich an Süßigkeiten kommen konnte. Sex konnte mir gerne gestohlen bleiben.
    Doch dann ...
    Doch dann sah ich ihn , und alles sollte nie mehr so sein wie zuvor.
    Der Himmel sollte nie

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