Columbus war ein Englaender
Liebe zur Lyrik geweckt. Sein Vorgänger Burchall stand mehr auf Kipling als auf lyrische Gefühlsduselei und belehrte uns mit eiserner Miene über die Unterschiede von gehobener und vulgärer Aussprache: »Ein Gentleman sagt niemals ›Mon day ‹ sondern ›Mundy‹. ›Yesterday‹ wird › yester -di‹ ausgesprochen. Das erste ›e‹ in ›interesting‹ ist stumm«, und so weiter.
Ich weiß noch, daß er einem eine fürchterliche Standpauke hielt, wenn man Wörter wie »Toilette« oder »Serviette« benutzte. Selbst »Radio« und »Frisur« waren verpönt. Es mußte »Rundfunkgerät« und »Schnitt« oder »Haarschnitt« heißen. Des weiteren lernten wir, »fo rm idable« statt »form i dable« zu sagen, »p ri marily« statt »pri mar ily«, » circum stance« statt »circum stance «, und unter gar keinen Umständen wurden so monströse Auswüchse wie »circumst ah ntial« oder »subst ah ntial« toleriert. Ich erinnere mich noch an die ungemein vergnüglichen Spielchen mit unserer vorübergehenden Wirtschafterin Mrs. Amos, die uns Schülern beizubringen versuchte, daß man »pardon« oder »pardon me« sagte, wenn man aufgestoßen hatte. Familien der oberen Mittelschicht erleben noch heute ähnlich groteske Situationen, wenn die Nanny den Kindern Wörter beibringt, die Mummy für inakzeptabel hält.
»Wo bleiben deine Manieren? Man sagt gefälligst ›pardon me‹.«
»Wir dürfen das aber nicht sagen, Wirtschafterin.«
»Mumpitz.«
Eines Morgens beim Frühstück trieben wir die Sache auf die Spitze. Selbstverständlich war ich derjenige, der alles ins Rollen brachte. Burchall saß am Kopfende unseres Tisches, als Mrs. Amos zufällig vorbeimarschierte.
»Böö-öörk!« rülpste ich laut.
»Sag gefälligst ›pardon me‹, Fry.«
»Solltest du es wagen, diesen widerlichen Ausdruck zu benutzen, Fry, prügel ich dich windelweich«, sagte Burchall, ohne dabei von seinem ›Telegraph‹ – der natürlich Telly graff ausgesprochen wurde – aufzublicken.
»Pardon, Mr. Burchall?«
»Treiben Sie es nicht bis zum Äußersten, gute Frau.«
»Ich bemühe mich nur«, sagte Mrs. Amos ( Archers -Hörer sollten sich um des treffenden Effekts willen die Stimme von Linda Snell vorstellen, was mir die Peinlichkeit erspart, breitesten Slang wiederzugeben), »den Jungen ein paar anständige Manieren beizubringen. Gutes Benehmen ziert den Charakter, wie Sie wissen.«
Burchall, der dem Schauspieler Roland Young aus den dreißiger und vierziger Jahren wie aus dem Gesicht geschnitten war – der gleiche Schnauzer, der gleiche Blick -, ließ seinen Telly graff sinken, blitzte Mrs. Amos an und wandte sich dröhnend an den ganzen Saal: »Sollte irgendwer von euch aufgefordert werden, ›Pardon me‹, ›I beg your pardon‹ oder, Gott behüte, ›I beg pardon‹ zu sagen, so erwidert ihr auf diese idiotische Bitte nur: ›Ich lehne es ab, mich auf ein so armseliges Niveau herabzulassen, gnädige Frau.‹ Haben wir uns verstanden?«
Wir nickten eifrig. Die Wirtschafterin stürmte mit einem »Unverschämt!« davon, und Burchall studierte weiter die Rennergebnisse.
Ich würde einen Lehrer dieses Schlags nicht gerade als Inspiration bezeichnen, aber er hatte zweifellos etwas von dem verrückten General, den ich in Blackadder spielte, und zudem konnte ich jedem Lehrer etwas abgewinnen, der meinSensorium für die feinen Unterschiede der Sprache schärfte, wie absurd und snobistisch sie auch sein mochten.
In Uppingham entdeckte ich durch Stokes meine Liebe zu Jonathan Swift, William Morris, George Orwell und den beiden großen Viktorianern Tennyson und Browning. Meine große Bewunderung für Browning war bereits lange zuvor durch meine Mutter geweckt worden. Sie besitzt genau wie mein Vater und ich ein außergewöhnliches Gedächtnis, ganz besonders, was Namen und Gedichte angeht. In meiner Kindheit trug sie mir regelmäßig Browning-Gedichte vor. Bedauerlicherweise hat nie jemand die leiseste Bewunderung für die Romane von Thomas Hardy oder D. H. Lawrence in mir wecken können, obwohl ich von beiden die Lyrik schätze, erstere wegen ihrer gebieterischen Größe, letztere wegen ihres Charmes und ihres nicht seltenen Humors.
Auch wenn ich, wie gesagt, das große Glück hatte, an den diversen Schulen, die sich mit mir herumschlagen durften, eine Reihe ausgezeichneter Lehrer zu finden, reichte doch niemand von ihnen an meine Eltern heran. Irgendwer hat einmal gesagt, jede Autobiografie sei eine Art Racheakt. Genausogut kann
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