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Columbus war ein Englaender

Columbus war ein Englaender

Titel: Columbus war ein Englaender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Gottes rechter Hand in Norfolk und Vorsitzender einer geheimnisvollen Einrichtung namens ACM, der kirchlichen Glaubensprüfstelle, die über die Aufnahme oder Ablehnung neuer Schäfchen befand, einen heimlichen Besuch abgestattet. Nach einem längeren Plausch mit Hochwürden Aubrey Aitken hatte er mir knarzend seine Überzeugung kundgetan, ich solle noch eine Weile warten, bis ich mir der Gnade Gottes gewisser sei. Sein Knarzen kam daher, weil erkeinen Kehlkopf mehr hatte und mit Hilfe eines dieser Apparate sprach, den auch Jack Hawkins in seinen letzten Jahren benutzte. Das feierliche »Einschalten des Bischofs«, wenn Aitken zur Predigt schritt, war innerhalb der Diözese ein allseits geschätzter Bestandteil des Gottesdiensts.
    Natürlich hatte der Bischof recht, ich verspürte keine wirkliche Berufung, sondern allenfalls die Eitelkeit eines Henry Crawford in Mansfield Park , eine Eitelkeit, die mich glauben ließ, ich würde ein besserer und flotterer Priester sein als jene kleingeistige und monoton daherredende Sorte Geistlicher, die sich zu der Zeit in England breitmachte. Ich wußte, daß ich aufgrund meines hellenistischen Denkens nicht wirklich an Gott glauben konnte, um es auf die vornehme Art auszudrücken. Eine Spur platter gesagt, ich war felsenfest davon überzeugt, sollte es einen Gott geben, würde ich ihn wegen seiner Launenhaftigkeit, seiner Bosheit und seiner Willkür ablehnen. Es hatte Zeiten gegeben, in denen er Leute wie Bach, Mozart, Michelangelo, Leonardo, Raphael, Donne, Herbert, Swift und Wren in seiner Mannschaft hatte: Jetzt dagegen bestand sein Team aus grauenhaften, grünschnäbeligen Flachpfeifen ohne Stil, ohne Verstand, ohne Rednergabe und ohne Würde. Der durchschnittliche anglikanische Geistliche strahlte soviel Glanz aus wie eine Strickjacke aus dem Penny Markt. Natürlich wußte ich damals noch nicht, daß – wenn man es nur richtig betrachtet – eine Strickjacke aus dem Penny Markt genausoviel Glanz besitzen kann wie der Petersdom, Rom, der Grand Canyon und das gesamte Weltall, aber zu der Zeit fehlte mir eben für alles der richtige Blick. Als ich Matthew das erste Mal erblickt hatte, hatte ich die Schönheit in allen Dingen gesehen. Jetzt sah ich überall nur Häßlichkeit und Verfall. Alle Schönheit lag in der Vergangenheit.
    In zahllosen Gedichten, Aufzeichnungen und Notizen schrieb ich immer wieder den einen Satz auf:
    Mein ganzes Leben breitete sich glänzend hinter mir aus.
    Hatte ich diesen kranken Satz einmal geschrieben, füllte ich gleich eine ganze Seite damit. Und ich glaubte auch daran. Um es mit einem Satz aus Dirty Harry zu sagen, ich war tiefer gesunken als ein Klumpen Walscheiße. Ich lag am Boden, ohne Chance, wieder hochzukommen. Was würde Ronnie Rutter denken, wenn er mich so sähe? Seine Zeugnisse waren stets geschmeichelt gewesen, aber mit dem Wort »überschwenglich«, das er einmal benutzt hatte, hatte er bei allem erlittenen Kummer in Uppingham den Nagel auf den Kopf getroffen. Überschwang war etwas, das ich hinter mir hatte und nie wieder besitzen würde.
    Womit wir wieder bei dem Häufchen Pillen und Kapseln und dem Glas Wasser angelangt wären. Mit einem letzten verächtlichen, vernichtenden Fluch auf die Welt, die sich erneut in einen verwesenden Maulwurf verwandelt hatte, in einen gleichgültigen Kreislauf sinnloser, ermüdender Wiederholung und Zersetzung, schluckte ich alle hinunter, löschte das Licht und schlief ein.
    Ich erwachte in einer weißen, von flackernden Neonleuchten erhellten Welt mit einem wahnsinnigen Brennen in meiner Kehle und auf meinen Wangen. Ein Schlauch wurde mir in den Rachen gezwängt, während eine Schwester mich ohrfeigte und unablässig auf mich einredete: »Stephen! Stephen! Komm schon, Stephen! Komm schon. Stephen, Stephen! Stephen! Stephen! Na, komm schon. Ja! Komm schon. Komm. Stephen!«
    Mein Bruder war offenbar gegen Mitternacht durch meine Kotzgeräusche geweckt worden. Als er in mein Zimmer kam, sah er mich eine Fontäne speien, von der er schwört, sie sei bis an die Decke gespritzt. Wobei die Decke in meinem Zimmer verdammt hoch war. Ich kann mich an nichts davon erinnern, weder an die Fahrt im Krankenwagen noch an sonst etwas. Ein einziges Nichts zwischen dem Ausschalten der Nachttischlampe und der demütigenden Prozedur derplötzlichen Wiedergeburt: die Klapse ins Gesicht, das grelle Licht, das Einführen des Schlauchs, die Hast und das hartnäckige Beharren, mich ins Leben zurückzuholen. Seither habe

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