Columbus war ein Englaender
Rugby-Mannschaftsbusses ihre Schlachtgesänge grölen. Er gebrauchte zwar nicht diesen Vergleich, aber er meinte es so.
Ich verinnerlichte seine Anweisung, indem ich mir wie ein mentales Echo wiederholte, daß er durchaus recht hatte und daß meine panische Angst vor dem Auftritt am Samstag absurd war, während ich zustimmend murmelte.
Nachdem er mich in die Gegenwart zurückgeholt und mir versichert hatte, wie erfrischt und großartig ich mich für den Rest des Tages fühlen würde, versuchte er mir noch die üblichen Cassetten gegen Rauchen, Übergewicht und Schlaflosigkeit aufzuschwatzen, die seine Regale füllten, und entließ mich dann, mit einer um fünfzig Pfund leichteren Geldbörse und einem von einer Zentnerlast befreiten Herzen, meiner Wege.
Mein Auftritt an jenem Samstag wird nie in einem Atemzug mit Marilyn Hornes Debüt an der Met oder der Veröffentlichung von Imagine genannt werden, aber ich stand meinen Part durch, ohne rot anzulaufen oder in Angstschweiß auszubrechen.
Erst nachher, als wir wie üblich im Zanzibar zusammensaßen, in dem sich in den achtziger Jahren vor den Zeiten desGroucho die Schauspieler, Fotografen, Künstler und alle übrigen Leute der Szene trafen, dämmerte es mir, daß das Schlitzohr mich nur für diesen einen Gig von meiner Ladehemmung befreit hatte.
»Verpiß dich, Schlampe« war das Zauberwort für meinen Auftritt an diesem Samstag gewesen. Nur war damit mein grundsätzliches Gesangsproblem keineswegs aus der Welt geschafft. Die Kraft meines Talismans hatte sich erschöpft, und wenn ich das nächste Mal singen wollte, müßte ich wohl oder übel erneut eine Sitzung über mich ergehen lassen. Damals, in der wodka- und kokainseligen Euphorie jener Nacht, schwor ich mir, daß es kein zweites Mal geben würde.
Stephen und Gesang sind nicht füreinander gemacht.
Ich bin dem Mann dankbar, daß er mir den Weg zu einer verschütteten Erinnerung gezeigt hat, aber ich verspüre nicht den Wunsch, noch einmal auf diesem Pfad zu wandeln. Ich vermute, im dichten Dornengestrüpp meines Kopfes ist noch so manch andere Erinnerung verborgen, aber ich sehe keinen vernünftigen Grund, darin herumzustochern.
Die Musik bedeutet mir unendlich viel, soviel dürfte klargeworden sein, und ich könnte noch Seite um Seite mit meinen Gedanken über Wagner und Mozart und Schubert und Strauß und all die anderen füllen. Doch viel mehr geht es mir darum zu zeigen, daß meine Leidenschaft für Musik und meine Unfähigkeit, sie musikalisch auszudrücken, Symbole für mein Gefühl von Isoliertheit und Absonderung sind, das mich mein Leben lang begleitet hat. Mehr noch, sie sind ein Symbol für Liebe und meine Unfähigkeit, Liebe so auszudrücken, wie sie ausgedrückt werden sollte.
Es war immer mein großer Wunsch, Musik und Liebe und alles, was ich fühlte, in einer eigenen Sprache ausdrücken zu können – also gerade nicht eine Abfolge bestimmter Verben, Adjektive, Adverbien, Nomen und Präpositionen des Englischen zu bemühen, die unausweichlich auf den nächstenPunkt zusteuern, an den sich ein weiterer Absatz mit noch mehr Wörtern anschließt.
Offen gesagt, manchmal glaube ich sogar, über nichts anderes als lauter Worte zu verfügen. Und ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich ohne Sprache überhaupt denken, geschweige denn fühlen könnte. Eine alte Klage besagt:
Wie kann ich dir sagen, was ich denke,
bevor ich nicht selbst gehört habe, was ich sagen will?
Eine Frage, die mir geradewegs aus der Seele zu sprechen schien. Das Gefühl, daß es sich dabei um ein persönliches Versagen handelte, wurde erst Jahre später durch Oscar Wilde zerstreut, als ich seinen als platonischer Dialog verfaßten Essay Der Kritiker als Künstler las:
ERNEST: Selbst du wirst zugeben müssen, daß es viel schwieriger ist, eine Sache zu tun, als darüber zu reden.
GILBERT: Es soll schwieriger sein, eine Sache zu tun, als darüber zu reden? Ganz und gar nicht. Das ist ein weitverbreiteter Irrtum. Es ist weitaus schwieriger, über eine Sache zu reden, als sie zu tun. Schon im alltäglichen Leben ist das nur allzu offensichtlich. Jeder kann Geschichte machen. Aber nur ein großer Mann kann sie schreiben. Unsere Handlungen und Emotionen unterscheiden sich durch nichts von denen der Tiere. Erst durch die Sprache erheben wir uns über sie oder über unseren Mitmenschen – allein durch die Sprache, die nicht die Folge, sondern der Ursprung des Denkens ist. (Die Kursivsetzung stammt von mir, Mrs. Edwards!)
Die
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