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Columbus war ein Englaender

Columbus war ein Englaender

Titel: Columbus war ein Englaender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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simplen »Tamta-tam« von »Onward Christian Soldiers«, einem Lied, zu dem jeder Idiot die Lippen bewegen kann, ohne großartig aufzufallen.
    Zunächst hörten wir zu, wie Hemuss die neue Melodie mehrmals auf dem Klavier vorspielte, bevor der Chor sie wie üblich wiederholte. Danach waren wir an der Reihe.
    Ohne groß zu überlegen, sang ich laut mit den anderen mit, als ich bemerkte, daß ein Präfekt namens Kirk direkt neben mir stand. Er streckte den Kopf vor, hielt sein Ohr ganz nahe an meinen Mund und rief laut:
    »Sir, Fry macht Blödsinn!«
    Die gleiche heiße Flut, die damals in mir hochschoß, überfällt mich auch jetzt wieder. Ein glühendheißer Fieberstoß, wie ihn nur Unrecht hervorbringen kann – ein gemeines, hinterhältiges, bösartiges, himmelschreiendes Unrecht.
    Hemuss unterbrach sein Spiel, einhundert Stimmen versanken in Schweigen, und einhundert Gesichter drehten sich in meine Richtung.
    »Also, Fry, du singst allein«, sagte Hemuss, »und zwei und drei und ...«
    Und ...
    ... Totenstille.
    Mein Mund formte einzelne Wörter, vielleicht entfuhr meiner Kehle sogar ein leises, heiseres Zischen, aber der Rest der Schule hörte und sah nichts außer einem vor Anspannung purpurroten Gesicht mit schamvoll zusammengekniffenen Augen.
    »Laß die Scherze, Fry! Und zwei, drei und ...«
    Diesmal versuchte ich es. Und wie ich es versuchte. Ich brachte deutlich vernehmbare Wörter hervor.
    Allerdings kam ich nur bis »... honig- und milchgesegnet«, als innerhalb weniger Sekunden Hemuss sein Spiel abbrach, Kirk zischelte: »Mein Gott, du liegst ja komplett daneben!«, und der ganze Saal in brüllendes Gelächter ausbrach.
    Seither bin ich auf Hochzeiten und Beerdigungen vieler guter Freunde gewesen und habe bei allen Liedern, die ich gerne aus tiefster Seele mitgesungen hätte, immer nur stumm die Lippen bewegt, von Schuld geplagt, weil ich denen, die mir wirklich etwas bedeuten, nicht mehr als einen bloßen Lippendienst habe erweisen können. Da ich im Umgang mit Wörtern und öffentlichen Auftritten einigermaßen gewandt bin, werde ich bei solchen Anlässen häufig gebeten, eine Rede zu halten, was mir nicht weiter schwerfällt. Nur will ich das eigentlich gar nicht. Mein einziger Wunsch ist der, im Chor mitsingen zu können, dabeisein zu können.
    Ist das wirklich so?
    Ich habe es gerade aufgeschrieben, aber entspricht es tatsächlich der Wahrheit?
    Merkwürdig ist nämlich folgendes. Das Geschreie und Getobe der anderen damals in der Kirche waren mir gänzlichentfallen, bis ich gut zwanzig Jahre später einen Hypnotiseur aufsuchte.
    Aber hallo ... mittlerweile befinden wir uns also schon in Behandlung eines Hypnotiseurs?
    Nun, der Besuch des Hypnotiseurs hatte seine ganz handfesten Gründe.
    In den achtziger Jahren schrieben und produzierten Hugh Laurie und ich eine Art Comedy- und Musik-Show für Channel 4 mit dem Titel Saturday Live . Die Sendung, die Ben Elton und Harry Enfield erst richtig berühmt machte.
    Für eine der Sendungen hatten Hugh und ich uns einen Sketch ausgedacht, bei dem ich am Schluß singen mußte. Kein besonders kompliziertes Lied, bloß eine simple R&B-Nummer. Harry Enfield dirigierte eine Band, die durchgeknallte Kopfhörer trug und mit breitem Ronnie-Hazlehurst-Grinsen in die Kamera starrte, und Hugh spielte, glaube ich, Gitarre oder Klavier. Ich weiß nicht mehr, warum ausgerechnet ich singen mußte und nicht Hugh, der normalerweise für die Gesangsparts zuständig war. Vielleicht hatte er gleichzeitig auch noch eine Maultrommel zwischen den Zähnen. Hugh kann nicht nur hervorragend singen, sondern auch jedes Instrument spielen, das man ihm in die Hand drückt, dieser hundsgemeine, gottverdammte, kreuzvermaledeite Mistkerl.
    Wie zu allen verständigen Menschen sagte ich zu Hugh: »Aber das ist Wahsinn! Du weißt , daß ich nicht singen kann.«
    Worauf Hugh, entweder, weil er es nicht mehr hören konnte, oder aber, weil er mich durch einen geschickten Schachzug dazu zwingen wollte, meine musikalischen Dämonen niederzuringen, bloß erwiderte, ich hätte ganz einfach zu singen und damit basta. Ich glaube, das war an einem Mittwoch: Die Sendung, wie schon ihr Name verrät, wurde samstagsabends live ausgestrahlt.
    Donnerstagmorgens war ich völlig aufgelöst.
    Wie sollte ich je live im Fernsehen singen?
    Selbst wenn ich meinen Text nur sprechen würde, war da immer noch das Problem, nicht aus dem Rhythmus zu kommen. Die Band würde ihr Intro hinlegen, und ich würde gleich beim

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