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Columbus war ein Englaender

Columbus war ein Englaender

Titel: Columbus war ein Englaender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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überschüttete, die einem nur blinde Wut diktieren kann. »Ihr hirnamputierten, arschgesichtigen Scheißwichser ... euch werd ich’s zeigen, ihr stinkenden Drecksäcke.« Sprüche in der Art.
    Würden Donaldson und ich uns über Clouds Teilnahme am Spiel in die Haare geraten? Das wollte ich auf gar keinen Fall, und schon gar nicht wollte ich der Spielverderber sein, der die vollkommene Harmonie des Augenblicks zerstörte, der Quertreiber, der den natürlichen Rhythmus sich neu entwickelnder Spielideen unterbrach. Aus dem Stegreif geborene Kinderspiele sind, genau wie Kinder selbst, gleichzeitig unvorhersehbar grob, aber auch zerbrechlich.
    Ich will Donaldson hier nicht als grausames Monster hinstellen. Ich bin mir sicher, er hätte die Exekution eines unschuldigen alten Ponys genausowenig zugelassen wie jeder andere von uns.
    Beweisen brauchte er dies allerdings nicht.
    Eine deutlich vernehmbare Stimme von der Hügelkuppe unterbrach unser Spiel. Es war die tiefe, heisere Stimme von Evans, der Präfekt und bester Werfer der Schule war. Einmal hatte er mit einem Mordswurf den Mittelstab des Wickels zerschmettert. Jedes Jahr gewann er den Cricket-Wurfpokal, und bei einem der Ausscheidungskämpfe hatte er einen solchen Wurf hingelegt, daß der Ball weit über das Spielfeld hinaussegelte und nie gefunden wurde.
    »Fry! Ist Fry Minor da unten?«
    »Hey, du!« sagte Donaldson und knuffte mich in die Seite.
    Stumm schlich ich an Donaldson und den anderen vorbei, aller Hochstimmung schlagartig beraubt, und stieg der Silhouette von Evans entgegen, der oben auf dem Hügelkamm wartete.
    Was hatte ich jetzt wieder verbrochen?
    Der Gedanke war natürlich absurd, ich wußte genau, was ich verbrochen hatte, nur konnte ich mir nicht erklären, wie man mir auf die Schliche gekommen war. Es war einfach unmöglich.
    Vielleicht hatte Mr. Dealey mich doch aus Cromies Büro kommen sehen. Vielleicht hatte jemand entdeckt, daß ein paar Pennies aus seiner Tasche fehlten, und mich als Dieb verdächtigt. Vielleicht hatte mich sogar jemand dabei beobachtet.
    »Na los, beeil dich gefälligst.« Evans stand unter der großen Roßkastanie auf der Hügelkuppe und starrte mich finsteren Blickes an, während ich auf ihn zustapfte. »Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit.«
    Sein weißer Cricket-Dress war mit zahllosen grünen Grasstriemen übersät, Zeugnisse seiner tollkühnen Art, fliegenden Bällen hinterherzuhechten.
    »Tut mir leid, Evans«, sagte ich. »Mein Asthma. Ich kann bei dem Wetter nicht schneller.«
    »Ich weiß, dein Asthma. Trotzdem kommst du jetzt schleunigst mit zum Direktor.«
    »Wie bitte?«
    »Asthma und obendrein noch taub, wie?«
    »Aber wieso? Was hab ich denn getan?«
    Evans drehte sich im gleichen Moment um, als ich oben ankam, ohne darauf zu achten, ob ich ihm folgte. »Das weißt du besser als ich. Cromie hat nur den Kopf aus der Tür gesteckt, mich gesehen und gesagt: ›Evans, schnapp dir den jungen Fry und bring ihn umgehend zu mir.‹«
    Für Evans war die ganze Angelegenheit nur eine unliebsame Unterbrechung seiner Wurfübungen oder was auch immer er gerade vorhatte, und ich sah, daß er keinen Funken Triumph oder Mitgefühl empfand, sondern mich einzig mit gleichgültigem Desinteresse abschleppte. Ich trabte wie ein begossener Pudel hinter ihm her, fieberhaft überlegend, was Cromie in Erfahrung gebracht haben könnte.
    Wir waren viel zu schnell vor Cromies Büro, als daß ich mir eine Entschuldigung hätte zurechtlegen können, noch hatte ich die Zeit, mich gedanklich auf die felsenfeste Beteuerung meiner Unschuld einzustellen, die ich jedesmal zum besten gab, wenn Cromie mich mit meinen Verfehlungen konfrontierte, auf die glühende Empörung, mit der ich alles abstritt, und das heulende Elend, das mich in dem Moment überkommen würde, an dem er mich ... ja wessen eigentlich beschuldigen würde?
    »Herein!«
    Evans hatte an die Tür geklopft. Ich stand stocksteif daneben.
    »Los, rein«, sagte Evans und drückte mir die Tür auf.
    Cromie war nicht an seinem Schreibtisch. Er saß in einem der beiden Ledersessel und las. Als erstes untersuchte ich mit einem flinken unauffälligen Blick, ob das Geheimfach des Schreibtischs offenstand. Zum Glück nicht.
    »Vielen Dank, Evans. Das ging ja schnell.«
    »Sir.«
    Evans machte auf dem Absatz kehrt und verschwand. Später ging er nach Harrow, spielte Cricket in der Schulmannschaft und glänzte beim Militärtraining, wo seine Fähigkeit, elegant auf dem Absatz kehrtzumachen,

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