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Columbus war ein Englaender

Columbus war ein Englaender

Titel: Columbus war ein Englaender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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ihm zweifellos den Ehrendegen und allgemeine Bewunderung einbrachte.
    Ich drückte mich auf der Türschwelle herum. In Cromies stahlblauen Augen lag ein munteres Leuchten, und die Spitzen seines rotbraunen üppigen Schnauzers ragten schnittigin die Höhe, was mich gleichzeitig verwunderte und ängstigte.
    Vielleicht hat Cromie aber auch braune Augen und einen grünen Schnauzer. Ich hoffe, er verzeiht mir irgendwelche Ungenauigkeiten. Ich denke, er ist weise genug, um zu wissen, daß eine trügerische Erinnerung genauer sein kann als die wirklichen Fakten.
    »Immer herein, Fry, immer herein!« krächzte er mit der leutseligen Autorität eines Erzdiakons, der seinen Hilfspfarrer zu einem zwanglosen Gespräch über den Pelagianismus hereinbittet.
    »Vielen Dank, Sir«, sagte ich, ganz das Unschuldslamm.
    »Nimm Platz«, sagte Cromie und deutete auf den zweiten Sessel, dessen Sitzfläche und Kissen ich bis zu diesem Zeitpunkt immer nur auf dem Kopf gesehen hatte, wenn ich über eine der glänzenden Armlehnen hing und mich auf den Rohrstock einstellte.
    Ich war einigermaßen perplex.
    Meine Schulentlassung stand noch zu weit dahin, als daß ich das berühmte Entlassungsgespräch erwarten durfte, über das bei jedem Semesterende in der Schule wild getuschelt wurde und bei dem es darum ging, einen in das einzuweihen, was man ohnehin längst über Vaginen, Babys, Hoden, Triebe und gewisse Jungen wußte.
    Ich starrte gänzlich verwirrt den Teppich an.
    Nach einer halben Ewigkeit ließ Cromie sein Buch sinken und blinzelte zu mir herüber.
    »Fry«, sagte er und schlug sich auf sein in Reiterhosen steckendes Knie. »Ich möchte eine Prophezeiung wagen.«
    »Sir?«
    »Du wirst es weit bringen.«
    »Sie meinen, Sir?«
    »Glaub es mir nur. Du wirst es sehr, sehr weit bringen. Ob nun bis in den Palast von Westminster oder ins Gefängnis von Wormwood Scrubs, vermag ich nicht genau zu sagen.Vermutlich beides, wie ich meinen Fry kenne.« Er rieb sich das Knie, auf das er gerade noch in der Art eines alten Mannes geschlagen hatte, der wegen seiner Arthritis oder einer Kriegsverletzung höllische Schmerzen erleidet, die ihn gleichwohl daran erinnern, einst bessere Tage erlebt zu haben. »Und weißt du auch, warum du es weit bringen wirst, Fry?«
    »Nein, Sir.«
    »Du wirst es weit bringen, weil du Nerven wie Drahtseile hast.«
    »Tatsächlich, Sir?«
    »Was Nervenstärke und Kaltschnäuzigkeit angeht, ist mir noch nie jemand begegnet, der es mit dir aufnehmen könnte.«
    All das wurde in einem leichtfertigen, freundschaftlichen – nun, so verrückt es auch schien, das Wort drängte sich einfach auf –, bewunderungsvollen Ton gesagt.
    »Fry hat ein Problem«, fuhr Cromie fort, jetzt scheinbar zum Bücherschrank sprechend. »Er hat ein Päckchen zu verschicken, aber, der Teufel soll’s holen, er hat keine Briefmarken. Was macht er also? Er geht in Sirs Büro, abgebrüht, wie er ist, sieht einen Stapel noch unfrankierter Briefe und Päckchen, legt seins einfach obenauf und verschwindet. ›Der alte Dealey wird den ganzen Schwung zur Post karren und meins gleich mitfrankieren‹, denkt er sich. Wie sollte er auch wissen, daß Sir, noch bevor Dealey sie mitnehmen kann, vorbeikommt und die höchst eigentümliche Handschrift des unverfrorensten Schurken erkennt, den zu beherbergen diese Schule je die Ehre gehabt hat?«
    Großer Gott im Himmel ... die Bestellung beim Scherzartikelversand ... die zusammengeklebten Pennies. Ich hatte es glatt vergessen.
    Vor lauter Aufregung über die Entdeckung der Süßigkeiten mußte ich den Umschlag auf dem Schreibtisch deponiert haben, als ich mit dem Geheimfach zugange war.
    Himmel noch eins.
    »Soviel Kavaliersschneid verdient belohnt zu werden, Fry«, sagte Cromie. »Die Belohnung besteht darin, daß Dealey dein Päckchen pflichtergeben mit all der anderen Post nach Uley gebracht hat und es auf Kosten der Schule und mit meinem anerkennenden Glückwunsch zu seinem Bestimmungsort unterwegs ist.«
    Er rieb sich das Kinn und kicherte leise.
    Vielleicht waren Jesus Christus und Großvater gar keine strafenden Richter. Vielleicht liebten sie mich.
    Ich wußte, was im Gegenzug von mir erwartet wurde, und bot Cromie mein komplettes Repertoire dar: die reuevoll zusammengekniffenen Lippen, das schüchterne blöde Grinsen, das verlegene Herumrutschen im Sessel.
    »Wissen Sie, Sir, ich mußte gerade daran denken ...«
    »Ich weiß sehr wohl, Sir, woran Sie gerade denken mußten«, sagte Cromie, während er sich

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