Columbus war ein Englaender
haushoch überlegen sind und für die der einfachste versteckte Hinweis ein ewiges Rätsel ist – an dessen Lösung sie nicht das geringste Interesse haben.
Außerdem will ich nicht verschweigen, daß ich nur wenige Leute kenne, die in bestimmten Situationen so mit Blindheit geschlagen sein können wie ich.
Ich bin der letzte Mensch auf Erden, der mit Gleichmut Klugscheißer wie Bernhard Ingham oder einen bodenständigen Yorkshire-Apostel wie Fred Trueman und deren Geschwätz über Vernunft, geistige Potenz, gesunden Menschenverstand und die Schule des Lebens ertragen kann – »Sehen Sie, diese sogenannten Oxbridge-Intellektuellen mögen ja alle außerordentlich gebildet sein, aber haben Sie sie schon mal einen Reifen kochen oder ein Ei wechseln gesehen?« – und all diese aufgeblasenen Arschwischereien, aber so stumpfsinnig solche Äußerungen auch sind, sie sind um keinen Deut schlimmer als die elitäre Versnobtheit derer, die glauben, allein weil sie aus dem Namen Bernhardus das Anagramm Bruder Hans herauslesen oder sämtliche Staaten Amerikas in alphabetischer Reihenfolge aufsagen können, um Klassen besser zu sein als der stinknormale Vogelbeobachter, Trainspotter oder Kreuzworträtselfan.
Nachdem ich Cromies handgeschriebene Notiz, »Ich denke, das erklärt alles ...«, hinter meinem Namen entdeckt hatte, stand mein Entschluß fest, sein Büro bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu durchforsten. Mir gefiel es ganz und gar nicht, daß Dinge über mich aufgeschrieben wurden, von denen ich nichts wußte.
Aber zurück zu unserer eigentlichen Geschichte. Ich bin allein im Büro. Diesmal auf der Suche nach Briefmarken.
Cromie hatte einen dieser hochglanzpolierten Schreibtische mit jeder Menge Knöpfen, Schubfächern, kannelierten Voluten und Geheimfächern – genau die Sorte Schreibtisch, an der ein verschlagener Fuchs wie ich Gefallen fand.
Als ich einen hölzernen Knauf unter der Tischplatte entdeckte und darauf drückte, sprang ein Fach auf. Und was bot sich da meinen erstaunten Augen?
Süßigkeiten .
Ganze Berge von Süßigkeiten.
Konfiszierte Süßigkeiten. Schaumzucker-Shrimps, Fruchtgummis, Karamelbonbons, fliegende Untertassen, rote Lakritzschnürsenkel, alles, was der Laden in Uley überhaupt aufzubieten hatte.
Mit weit offenem Mund, pochendem Herzen und glühendem Gesicht, was ebenso sexuelle Ekstase wie ein Erbeben unter Furcht und Schuld signalisieren kann, schnappte ich aus jeder Tüte vier, fünf, sechs oder sieben Teile und stopfte sie in meine Taschen, unfähig, das ganze Ausmaß meines Glücks zu begreifen. Da will man bloß ein paar Briefmarken klauen, und plötzlich steht man vor einer Schublade, die sämtliche Schätze enthält, die man sich nur erträumen kann.
Großvater sah wieder zu, das wußte ich. In jedem glänzenden Apfel, den ich stahl, lauerte dieser eine fette Wurm. Erst kürzlich war der Vater meiner Mutter gestorben und zu meiner figura rerum , meinem Hausgeist geworden. Wenn ich nackt durchs Kinderzimmer lief, mich auf einen Spiegel hockte, mir einen Finger hinten reinbohrte oder sonst eins dieser verrückten, schuldbeladenen Kinderspiele trieb, die in der Psychologie als vorpubertäre Entdeckung der Sexualität gelten, wußte ich, daß Großvater zuschaute. Auch bei den wirklich schlimmen Sachen wie Stehlen, Lügen und Schwindeln war Großvater dabei. Natürlich hatte ich gelernt, ihn zu ignorieren, und kannte die bittere Enttäuschung in seinen Augen, wenn er sich angewidert abwandte. Er hatte von seinem Enkel soviel Besseres erwartet. Andererseits hatte ich schon vorher gelernt, den kummervoll-sanften Blick Jesu zu ignorieren, der ebenfalls alle meine Sünden sah. Damals war ich mir meiner jüdischen Wurzeln nicht bewußt, was vielleicht ein Segen war, da die Gegenwart dieser beiden Juden,von denen der eine kurz zuvor gestorben war, während der andere bei jeder Morgenandacht als Taube über dem Altar schwebte, meine Tollheit und meinen Selbstekel womöglich noch verschlimmert hätten.
Als ich gerade die letzte Handvoll Süßigkeiten in meine letzte freie Tasche stopfte, hörte ich ganz in der Nähe knarrende Schritte auf den Holzdielen.
Ich schob das Geheimfach zu und spähte durchs Schlüsselloch.
Draußen war keine Menschenseele zu sehen, nur der verwaiste Flur und die Vogelkäfige. Vielleicht hatte der Hirtenstar bloß neue Laute ausprobiert.
Ich schlüpfte aus dem Büro, zog leise die Tür zu und drehte mich um, als ich Mr. Dealey, den Schulbutler, mit
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