Comin 2 get u
hier abgestellt hat.«
»Ja, aber was, wenn –?«
»Lies es einfach, Sam. Dann weißt du, wer ich wirklich bin.«
»Aber ich mag dich so, wie du bist!«
»Alle Geheimnisse sind Lügen – das weißt du doch, oder? Sie zernagen dein Inneres, wie Krebs, bis du es nicht mehr aushältst. Und dieses hier hat meine Eingeweide die letzten sechzig Jahre komplett durcheinandergebracht. Du wirst es doch lesen, oder, mein Junge?«
Ich stopfte den blauen Aktenordner in meinen Rucksack. »Natürlich tue ich das.«
Er lächelte und salutierte. »Guter Junge. Nun, wenn es dir nichts ausmacht, ist es wahrscheinlich an der Zeit für dich zu verschwinden. Ich weiß nicht, wie viele Folgen meiner Lieblings-Spielshow mir noch bleiben, und deine Mutter erwartet dich sicher.«
»Okay, dann sehen wir uns nächste Woche«, sagte ich und warf mir meinen Rucksack über die Schulter. Auf dem halben Weg zur Tür schoss mir plötzlich eine weitere Frage durch den Kopf. »Warum ausgerechnet ich, Großvater?«
»Weil wir dieselben Gene haben«, antwortete er und wühlte in der Sesselritze (genau wie ich das immer tat) nach der Fernbedienung. »Weil ich immer ein Teil von dir sein werde. Dein Vater wuchs mit der Vorstellung auf, ich wäre so etwas wie ein Held. Vielleicht wirst du – wenn du die Wahrheit über mich kennst – in der Lage sein, dich selbst ein bisschen besser zu verstehen.«
Das klang wie etwas, das Mum zu einem ihrer Klienten sagen würde. Doch ich dachte viel mehr über einen anderen Satz nach – dass alle Geheimnisse Lügen waren.Ich hätte es ihm erzählen müssen, das weiß ich jetzt. Aber was würde ein Mann mit einer Kriegsverletzung, ein Mann, der für sein Land gekämpft hatte, ein Mann, der dem Tod ins Gesicht gesehen und überlebt hatte, was würde so ein Mann von mir denken, wenn ich ihm anvertraute, dass ich total Schiss davor hatte, am Montag wieder in die Schule zu gehen? Deshalb beschloss ich, mich lieber mit einem Witz zu verabschieden.
»Hey, weißt du, warum die Toilette den Berg runterrollt?«
19.28 Uhr
»Darf ich dich etwas fragen, Britney?«, sagte ich und hielt sie fest, damit sie mir nicht entkommen konnte. »Hast du manchmal das Gefühl, dass dich jemand beobachtet?«
Sie gackerte leise und nickte mit dem Kopf.
»Was für eine dumme Frage. Natürlich tust du das. Hast du immer noch Albträume von diesem elenden F-U-C-H-S?«
Mir war durchaus bewusst, dass Hühner nicht buchstabieren konnten, aber sie sind hochsensible Wesen und Britney war nicht mehr dieselbe, seitdem Mutter Teresa vom Fuchs geholt worden war. Miss Piggy, Tracy (Beaker) und Madonna hatten kaum mitbekommen, dass der alte Vogel verschwunden war. Britney war die Einzige, die es sich wirklich zu Herzen genommen zu haben schien, und darum war sie auch mein Lieblingshuhn. Ich konnte mit ihr reden.
»Du glaubst nicht, was für einen schrecklichen Tag ich hatte. Was sagst du dazu:
Veilchen sind blau, Rosen sind rot, Chickenboyz stinken und sind schon bald tot.
Schlimm, oder? Es geistert mir im Kopf rum, seitdem ich es gelesen habe. Eine SMS haben sie mir auch geschickt. Was wollen sie, Britney? Was haben sie vor?«
Ich setzte sie zurück auf ihre Stange und begann mit der widerlichen Prozedur, Hühnerkacke von den Ablagen darunter zu kratzen und in Mums Kompostbehälter zu befördern. Dads alten Bretterschuppen in einen Hühnerstall zu verwandeln hatte zunächst ganz lustig geklungen – bis Mum mir offenbart hatte, wer für das wöchentliche Ausmisten zuständig war. Ich sollte das jeden Dienstag nach der Schule machen, aber diese Woche waren Lex und ich in dem neuen LaserQuest in der Stadt gewesen und ich hatte gedacht, Mum würde es vergessen – bis ich die gefürchteten Gummihandschuhe auf dem Küchentisch liegen sah.
»Selbst Großvater benimmt sich total merkwürdig. Er sagt immer wieder, dass er bald sterben wird. Das kann doch nicht stimmen, oder?«
Es gehörte zu meinen Aufgaben, einen kurzen Blick auf die Kacke zu werfen (sie sollte braun mit einem kleinen weißen Häubchen sein), um sicherzugehen, dass die Hühner gesund waren, doch um ehrlich zu sein, stank es so erbärmlich, dass ich immer die Augen zukniff und die Luft anhielt.
»Und er hat mir diese Geschichte zu lesen gegeben. Was, meinst du, ist los mit ihm? Ich könnte es nichtertragen, wenn Großvater irgendwann einmal nicht mehr da wäre. Er ist der beste Freund, den ich im Moment habe – abgesehen natürlich von dir,
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