Comin 2 get u
wurde wieder das freundliche Gesicht vom Fenster. »Sieht so aus, als werden wir Schiffskameraden, Professor. Wie ist dein Name?«
»Tommy«, sagte mein großohriger Beschützer. »Tommy Riley.«
20.00 Uhr
Die
Mission: Impossible- Melodie
drang mit der Wucht eines Vorschlaghammers in die Stille. Mum sah mürrisch von ihren Notizen auf. »Willst du nicht drangehen, Samuel? Vielleicht ist es dein Vater.«
»Es ist nur eine SMS«, antwortete ich, schob mich an das andere Ende des Sofas und scrollte durch das Menü. »Es kann also nicht Dad sein, da er noch nicht mal weiß, wie man eine verschickt.«
Mum wirkte enttäuscht. »Von wem ist sie dann?«
Ich schielte auf die Nachricht und versuchte, sie vor Mums Blick zu schützen, während ich heimlich die Nummer abspeicherte. »Ach … niemand.«
Plötzlich war Mum wieder ganz die Kinderpsychiaterin. »Was genau meinst du mit
niemand
?«
»Na ja, weißt du …«, druckste ich herum und ließ das Handy schnell wieder in meiner Tasche verschwinden. Ich hoffte, dass sie das Zittern in meiner Stimme nicht bemerkte. »Einfach irgendein Junge.«
»Ahhh, ich weiß Bescheid«, sagte Mum und bedachte mich mit diesem speziellen Lächeln, das sie normalerweise nur dann auflegte, wenn ich ihr irgendwas Schmalziges in ihre Muttertagskarte geschrieben oder Dad mir Geld gegeben hatte, um ihr ein paar Blumen zu kaufen.
»Worüber?«
»Ich bin nicht von gestern, Sam. Ich weiß genau, was los ist.«
Es war geradezu eine Erleichterung. »Wirklich?«
»Ja, und ich finde, das ist echt süß.«
»Hä?«
»Mein kleiner Junge hat eine Freundin. Stimmt’s?«Mum blickte auf mein acht Jahre altes Ich auf dem Kaminsims, mit Harry-Potter-Brille und einer blitzförmigen Narbe, die sie mir mit einem Filzstift aufgemalt hatte. Genau dasselbe Bild stand in ihrem Sprechzimmer; es war ein Wunder, dass sie es noch nicht überhatte.
»Meine Mutter hatte recht«, sagte sie verträumt. »Kinder werden zu schnell groß.«
»Nein, Mum, du verstehst –« Ich war kurz davor, ihr zu versichern, dass ich das andere Geschlecht in etwa so interessant fand wie ein Gartencenter. Doch dann wurde mir plötzlich klar, dass sie lieber glauben sollte, ihr »kleiner Junge« hatte eine Freundin, als dass er eingeschüchtert und unglücklich war und keine Ahnung hatte, wie er damit umgehen sollte. »Ist doch kein großes Ding, oder?«
»Für dich vielleicht nicht«, schniefte sie. »Aber keine Angst, Sammy, ich werde dir deswegen nicht das Leben schwer machen.«
»Danke, Mum.«
Sie kramte in ihren Papieren herum, trommelte auf den Couchtisch und pfiff ein Lied. »Willst du ihr denn gar nicht zurückschreiben?«
»Nein. Ich muss hier noch ein bisschen weiterlesen. Mach ich später.«
»Willst du gelten, mach dich selten, was? Genau wie dein Vater.«
Jeder in meiner Familie schien eine Art Held zu sein – jeder außer mir. Mein Urgroßvater kämpfte in Schützengräben, Dad war ein Semiprofi in Sachen Extremsport und Großvater hatte sogar eine Kriegsverletzung. Ich versuchte, mich auf seine Geschichte zu konzentrieren,in der Hoffnung, dass etwas von seinem Mut auf mich abfärben würde, doch alles, was ich sah, waren unterringelte Zeilen – wie auf diesem Gemälde, das in der Tate Modern hing und von dem Mum so begeistert war.
Was sollte das? Meine Gedanken wanderten immer wieder zurück zu meinem Handy. Und obwohl ich Mum zuliebe vorgab weiterzulesen, tat ich das nur, um den schlimmen Moment hinauszuzögern, in dem ich nach oben gehen musste und es nichts gab, das mich davon abhalten konnte, diese grausame SMS noch einmal zu lesen.
21.25 Uhr
»Los, mein Schatz. Ich bin überzeugt davon, dass die Lebensgeschichte deines Großvaters äußerst interessant ist. Aber du solltest jetzt wirklich hochgehen und dich bettfertig machen. Ich weiß doch genau, dass du es kaum erwarten kannst, deine neue Freundin anzurufen.«
»Muss ich das?«
»Natürlich musst du das. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!«
»Na gut«, sagte ich und suchte verzweifelt nach einem weiteren Grund, um nicht mit meinem Handy allein sein zu müssen.
Mum hatte die letzte Stunde damit verbracht, ihre Zettel auf dem Tisch immer wieder neu zu sortieren. Das erinnerte mich daran, was Großvater einmal über die Leute gesagt hatte, die die Liegestühle an Deck der Titanic umgestellt hatten, während sie sank.
»Wie geht’s mit deinem schwierigen Fall voran? Bist du schon weitergekommen?«
»Eigentlich nicht. Es
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