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Commissaire-Llob 1 - Morituri

Commissaire-Llob 1 - Morituri

Titel: Commissaire-Llob 1 - Morituri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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ausgemergelten Gebüsch, in dem nur die Grillen zirpen, der ideale Ort für eine Falle.
    Dine erwartet mich im Innenhof, er hat eine kugelsichere Weste an und ist mit einer kleinen Maschinenpistole bewaffnet. Er deutet auf eine weitere Weste: »Zieh dich warm an, wenn du dir keine Erkältung holen willst.«
    Eine Amsel singt einsam im Unterholz. Eine Brise streicht durchs wilde Gras. Die Hitze steht über der Landschaft. Eine Stimmung wie im Biwak.
    »Da kommen sie!« warnt mich Dine und entsichert seine Waffe.
    Ein Kastenwagen fährt vom Weg ab, nähert sich dem Weiler, umrundet das Bassin, dann das Gebüsch und bleibt in etwa fünfzig Meter Entfernung stehen. Die Schiebetür geht auf, und heraus kommen fünf bewaffnete Kerle in Tarnanzügen und mit Maske vorm Gesicht. Chaters Männer, die ganz in der Nähe im Hinterhalt liegen, lassen ihnen keine Zeit, sich zu verteilen.
    Eine dichte Salve mäht zwei Terroristen nieder. Die drei anderen versuchen völlig überrascht, sich ins Gebüsch zu retten. Die Salven werfen sie über den Haufen. Der Kastenwagen rollt zurück, rumpelt über den Körper eines Verletzten, fährt einen Strauch um. Er wird sofort unter Beschuß genommen. Sein Tank lodert auf, das Feuer greift über auf die Karosserie. Eine menschliche Fackel springt heulend heraus, wirbelt herum und verbrennt auf einem Felsbuckel.
    Alles ging sehr schnell, fast wie im Traum. Die Stille, die darauf folgt, taucht den Hügel in eine andere Welt. Sprungbereit kommen Leutnant Chater und seine Leute aus ihren Verstecken hervor und nähern sich dem Schlachtfeld.
    Mit zerfetzter Brust liegt eines der Ungeheuer röchelnd im Gras. Seine blutverschmierte Hand tastet vergeblich nach der Kalaschnik heben ihm. Dine stößt die Waffe mit dem Fuß weg, beugt sich über den Verletzten und reißt ihm die Maske herunter: Es ist der Albino von Ghoul Malek.
     
    21
     
    Ich blicke auf Algier, und Algier blickt aufs Meer. Diese Stadt hat keine Gefühle mehr. Sie ist, soweit das Auge reicht, pure Ernüchterung. Ihre Symbole haben ausgedient. Ihre Geschichte beugt das Rückgrat, und ihre Denkmäler ducken sich unter dem Zwang zum Verzicht.
    Algier ist besessen von fixen Ideen. Seine Sänger sind verstummt. Wo immer ihre Muse sie küßt, erleben sie, daß sie geknebelt wird. Erst wird ihnen die Flöte entrissen, dann die Feder geraubt, sie bleiben mit doppelt leeren Händen zurück und wissen nicht, wie den Puls der Erde fühlen, wie sie es einstmals taten, als wir alle Hexenmeister und Rutengänger waren.
    Algier ist krank. Seine Träume werden abgetrieben wie mißgebildete Embryonen.
    Algier ist ein Sterbehaus, Gott ein Tranquilizer, und keiner glaubt mehr, daß Glück eine Frage der inneren Einstellung ist.
    Algier ist eine Wanderbühne, auf der nur Tragödien zur Aufführung kommen. Der heraufziehende Morgen wird zagende Geister so wenig verschonen wie Schakale einen angeschlagenen Artgenossen.
    Ich parke meinen Zastava oberhalb von Notre-Dame. Weit in der Ferne, jenseits des Hafens, in dem die Kräne auf Halbmast stehen, erhebt sich das Monument der Märtyrer selbstvergessen auf seinem Hügel wie ein großer zurückgebliebener Junge. Die Kasbah blickt drein wie vom Meineid gepeinigt, sie ähnelt dem Skelett einer Heuschrecke, in dem die Ameisen turnen. Wie sich die Zeiten geändert haben.
    Früher einmal war die Kasbah nicht gar so unglücklich. Sie war von einem starken Glauben beseelt. Sie war stolz auf ihre Handwerker, ihre Schuhmacher und die Chechia ihrer Ladenbesitzer. Vor allem aber verstand sie es, ihre Freude zu teilen und ihren Schmerz für sich zu behalten. Hier lebte Dahmane der Tätowierer, der auf die Brust der Zuhälter und die Arme der Matrosen die erstaunlichsten Gemälde zauberte. Roukaya die Heilerin wohnte hier, eine hundertjährige Blinde, die durch eine flüchtige Berührung mit ihrem Finger die schlimmsten Brüche wieder zusammenfügte. Und Alilou »Domino«, der in seinem Lieblingsspiel die zahllosen Rivalen mit Leichtigkeit abzuhängen pflegte, dieser verflixte Alilou, den der Schlag an jenem Tag traf, da er über Moha Didous Rausch ganz vergaß, beizeiten seinen Doppelsechser abzusetzen. Und auch Bahja wohnte hier, die rehäugige Vestalin, der sich niemand zu nähern wagte aus Angst, sie könne sich gleich einer Huri in Luft auflösen …
    Wir waren arm, doch wie die Seerosen, denen das von Algen faulige Wasser nichts anhaben kann, schwammen wir seltsam gelassen an der Oberfläche aller Enttäuschungen und

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