Commissario Tron 5: Requiem am Rialto
Kontrast zu ihrem Vornamen gestanden hatte, nickte
zufrieden. Sie hatte sich, eine Magenverstimmung vortäuschend,
darauf beschränkt, eine Scheibe Brot zum Abendessen zu
verspeisen und hin und wieder einen Schluck Wasser zu trinken.
Nicht dass sie - als Reaktion auf dieses spezielle Mahl —
einen plötzlichen Zusammenbruch ihres Gatten erwartete, aber
man konnte nie wissen.
Signora Zulani hatte
die Haut der Leber sorgfältig abgezogen, das Fleisch
geschnetzelt und in einer Pfanne mit Olivenöl scharf
angebraten. Dann hatte sie die Leber aus der Pfanne genommen und
feingeschnittene Zwiebeln, Rosmarin und Thymian braun
geröstet. Schließlich hatte sie die Leber wieder
dazugegeben, alles vermischt und sorgfältig mit Pfeffer und
Salz abgeschmeckt. Als Beilage gab es einen Berg
Bratkartoffeln.
Das Resultat war eine
Portion, die eine fünfköpfige Familie satt gemacht
hätte — also genau die richtige Menge für Signor
Zulani, der tagsüber als Schmied im Arsenal arbeitete und
immer schon einen gesunden Appetit gehabt hatte.
Signor Zulani wischte
sich den Mund ab, wobei er den Ärmel seines Hemdes benutzte.
Dann trank er einen Schluck Wein und rülpste abermals.
«Woher?»
Das war so seine Art,
Fragen an seine Frau zu richten. Früher, dachte sie
resigniert, hätte er sich höflich danach erkundigt, bei
wem sie die Leber gekauft hatte, und wäre sich auch nicht zu
schade gewesen, mit ihr ein paar Worte über das Rezept zu
wechseln. Früher — das war, bevor
sie ein wenig zugenommen hatte — von hundertzwanzig auf
zweihundert —, das meiste, seit Giovanni, ihr einziges Kind,
aus dem Haus gegangen war. Jedenfalls wusste sie, was gemeint war,
und konnte seine Frage beantworten.
«Die Leber
stammt von Grassi», sagte sie schnell und merkte, dass sie
rot wurde.
Signor Grassi war ein
melancholischer Junggeselle, der eine Macelleria am Campo San
Giobbe betrieb. Sie kaufte das sonntägliche Fleisch, das sie
sich selten genug leisten konnten, entweder dort oder in einer
Macelleria direkt neben dem Bahnhof — wo sie zusammen mit
einem halben Dutzend anderer Signoras für die Reinigung der
Coupés zuständig war, die nachts aus Verona
ankamen.
Signor Zulani
gönnte sich noch einen kräftigen Schluck Wein und atmete
aus, wobei eine Wolke über den Tisch waberte, die so roch wie
ein weichgekochtes Ei, das eine Woche in einem Schlammloch gelegen
hatte. Er sah sie misstrauisch an. «Teuer?»
Signora Zulani
schüttelte den Kopf. «Einen halben Lire», sagte
sie.
Worauf der Gatte
mürrisch den Kopf schüttelte. «Billig ist das
nicht.»
Was definitiv nicht
stimmte, denn die Leber war ziemlich groß gewesen und —
soweit sie es beurteilen konnte — von durchaus
zufriedenstellender Qualität, wenn auch von etwas
fragwürdiger Herkunft. Tatsächlich hatte sie keinen
einzigen Centesimo dafür bezahlt, und das war auch der Grund,
aus dem ihr bereits der Anblick des Gerichts auf den Magen
geschlagen war.
Signora Zulani hatte
die Leber gestern Nacht im Rahmen ihrer Reinigungstätigkeit in
einem der Coupes des Nachtzugs aus Verona gefunden. Jawohl, gefunden. Das Organ lag auf
einem Giornale di Verona, das wiederum auf dem
plüschigen Polster eines Erste-Klasse-Coupes gelegen hatte
— nicht ganz der Artikel, den eine schlechtbezahlte
Reinigungskraft mit Vergnügen nach Hause trägt, keine
vergessene Geldbörse, kein teures Taschentuch, auch kein
herabgefallenes Schmuckstück. Aber etwas Essbares, eine
offensichtlich frische Leber, vielleicht bei einer renommierten
Macelleria in Verona erstanden, die dem Reisenden dann wohl
lästig geworden war und die er nicht aus dem Fenster entsorgt
hatte, sondern aus einem sozialen Impuls heraus für die
Reinigungskräfte zurückgelassen hatte. In der
zutreffenden Erwartung, dass man das Organ einpacken und
— guten Appetit — zum baldigen
Verzehr mitnehmen würde.
Was sie dann auch tat,
nachdem sie das Abteil gründlich gereinigt hatte. Das war
nicht ganz so flott wie üblich gegangen, denn offenbar war mit
dem Hantieren der Leber einiges Blut geflossen, sodass sie das
Wasser im Eimer dreimal austauschen und kräftig scheuern und
schrubben musste, bis das Coupé wieder proper aussah. Nein
— dass sie die Leber ganz umsonst bekommen hatte, konnte man
eigentlich nicht sagen, und ein hübscher Ring wäre ihr
zweifellos lieber gewesen.
Aber war es wirklich
so gewesen? Stammte diese Leber tatsächlich aus einer
Veroneser Macelleria? Sie war sich an diesem Punkt nicht ganz
sicher, obwohl
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