Commissario Tron 5: Requiem am Rialto
linke hing kraftlos und leicht zuckend von der
Lehne herab. Mit seinem in den Nacken geworfenen Kopf und seinem
blöde aufstehenden Mund bot er das Bild einer Person, die eben
der Schlagfluss getroffen hat. Ein paar Augenblicke lang war er
davon überzeugt, dass der Bursche tatsächlich einem
Gehirnschlag erlegen war und dass ihm die bizarre Kleopatra die grausame
Arbeit abgenommen hatte. Doch dann belebte sich der Mann wieder. Er
bog den Kopf nach vorne, die Kiefer klappten zusammen, und die
Augen schienen sich unter der Maske wieder zu öffnen. Er erhob
sich mühsam, nahm einen weiteren Likör vom Tablett eines
Mohren, den er herbeigewinkt hatte. Schließlich bezog er eine
etwas schwankende Stellung neben dem Sessel, auf dessen Lehne er
sich mit der linken Hand stützte. Fast, aber auch nur fast,
tat ihm der Bursche leid.
Und plötzlich
wusste er, wie er seine heikle Aufgabe lösen konnte. Verharrte
der Mann noch ein paar Minuten in seiner gegenwärtigen
Position, würde es kein Problem sein, hinter ihn zu treten,
ohne dass er selbst jemanden im Rücken hatte. Der Sessel, auf
den der Bursche sich stützte, war einer von vieren, die rechts
vom Orchesterpodium und parallel in etwa einem Schritt Abstand zur
Fensterfront der sala standen — sodass sich
dahinter ein schmaler Gang ergab, den man betreten konnte, ohne
Aufmerksamkeit zu erregen. Auf zwei der vier Fauteuils saßen
grauhaarige Damen, beide mit Vogelmasken und in ein lebhaftes
Gespräch vertieft. Auf dem Sessel direkt neben dem Mann war
ein dicker Napoleon gestrandet, dessen Kopf auf die Brust gesackt
war. Entweder schlief der Korse, oder er war betrunken. Dass er
sich in seiner Verfassung als störend erweisen würde, war
äußerst unwahrscheinlich. Er stellte das Champagnerglas
auf einen Konsoltisch und drängte sich langsam zum Anfang des
Ganges hinter den Sesseln. Dort, mit dem Rücken zum Canalazzo
und hinter einer der beiden grauhaarigen Damen, die immer noch
lebhaft miteinander plauderten, blieb er kurz stehen.
Die Musik hatte erneut
eingesetzt, und wieder hatten sich die Gäste paarweise auf die
Tanzfläche begeben. Das Orchester spielte jetzt Unter Donner und
Blitz, eine prestissimo und mit häufigem
Einsatz von Becken und Pauke vorgetragene Polka. Wie bei schnellen
Polkas üblich, stießen auch hier die Paare lachend
zusammen, kamen ins Straucheln, taumelten und fingen sich wieder.
Die sala, vor zwei Stunden noch, als der
Commissario und die Contessa Tron den Aimable Vainqueur getanzt hatten, eine
Stätte gesitteter Abendunterhaltung, hatte sich in eine wilde
Menagerie verwandelt, in der sich das Kreischen der Damen und das
Gelächter der Herren mit dem forte des Orchesters zu einem
infernalischen Getöse verbanden.
Es lief, kurz gesagt,
alles perfekt für ihn. Er war in dem schmalen Gang hinter den
Sesseln bis zum Orchesterpodium geschritten und stand jetzt
unmittelbar hinter dem Mann. Der hatte seine Position nicht
verändert und stützte sich immer noch, mit deutlicher
Schlagseite, auf die Lehne des Sessels. Ein kurzer Blick in
die sala überzeugte ihn davon, dass
alle Augen auf die Tanzfläche gerichtet waren. Er atmete tief
durch und öffnete seine Tasche. Dann zog er vorsichtig das
Stilett heraus und beugte sich ein wenig aus der Hüfte nach
hinten, wobei er einen leichten Luftzug spürte, der durch die
schlecht schließenden Fenster in die
sala drang. Mit dem rechten
Arm holte er langsam aus, atmete zum zweiten Mal tief durch und
stieß die Klinge mit aller Kraft in die Seite des Mannes
— dorthin, wo sich das Herz befand.
Den Bruchteil einer
Sekunde später wurde ihm klar, dass seine Attacke gescheitert
war. Anstatt den Frack des Mannes mühelos zu durchdringen, war
das Stilett auf einen Widerstand gestoßen. Der Bursche kippte
nach vorne, richtete sich dann aber wie ein halb gestrauchelter
Polkatänzer wieder auf und drehte sich zu seinem Angreifer um,
indem er einen erstaunlich hohen und unmilitärischen Schrei
ausstieß. Er machte einen schnellen Schritt an dem Sessel
vorbei nach vorne und zog den Mann, ihn an der Hüfte packend,
mit der linken Hand an sich. Dabei wirbelte er um die eigene Achse,
verlor das Gleichgewicht und stürzte, den Arm immer noch um
die Hüfte des Mannes geschlungen, krachend auf den Fauteuil.
Dort fand er sich in höchst lächerlicher Position wieder:
Der Mann saß auf seinem Schoß, sein Kopf lehnte an
seiner Schulter, und jetzt konnte er die Fischbeine des Korsetts
spüren, die dem Mann das Leben
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