Commonwealth-Saga 2 - Die Boten des Unheils
zu berichten?«
»O ja. Ich gebe ihr Live-Zugriff. Halte dich bereit.«
In Alessandras virtueller Sicht erschien ein neues Bild. Es schob sich in den Vordergrund.
Mellanie befand sich in einer Art Busbahnhof unter freiem Himmel, einem großen, asphaltierten Platz mit einer Wartehalle an der einen Seite. Das Gebäude besaß kein einziges intaktes Fenster mehr; die Stützstreben waren verbogen, die Hälfte des Dachs aus Solarpaneelen verschwunden. Trotz der Helligkeit draußen viel starker Regen aus einem wolkenverhangenen Himmel. Der unablässige Guss machte den Hunderten von Menschen, die sich auf dem Bahnhof drängten, das Leben noch schwerer und elender. Ein wahrer Exodus hatte eingesetzt. Vor einer Reihe bereitstehender Busse hatten sich Schlangen gebildet, und die Unverletzten und leichter Verletzten halfen den anderen beim Einsteigen. Vier Busse waren in provisorische Lazarettwagen umfunktioniert worden, die Sitze ausgebaut und neben der zerstörten Wartehalle aufgestapelt. Die Schwerverletzten wurden auf improvisierten Bahren hereingetragen; viele waren in einem sehr besorgniserregenden Zustand, die Wunden nur auf das Gröbste versorgt und mit Stoffbandagen statt Healskin-Pflastern verbunden.
Techniker arbeiteten an den offenen Luken der Busse, wo sie die Supraleiterbatterien überbrückten. Alessandra erhaschte einen Blick auf Mark Vernon, der eine der Reparaturgruppen führte und entschlossen arbeitete. Doch Mellanie unterbrach ihren Rundumschwenk nicht. Auf den Straßen rings um den Bahnhof parkten Dutzende von Geländewagen und Pick-ups, die voll besetzt waren mit Kindern und unverletzten Erwachsenen.
»Mellanie!«, sagte Alessandra. »Ich bin froh, dass du immer noch bei uns bist! Wie ist die Lage bei euch dort draußen in Randtown?«
»Sehen Sie sich das an«, antwortete Mellanie mit tonloser Stimme.
Sie drehte sich weiter, bis sie genau auf die geschlagene Stadt sah. Der Bahnhof befand sich offensichtlich in einem etwas höher gelegenen Randgebiet am Fuß der Berge. Es war eine Position, von der aus sie die gesamte Stadt und den dahinter liegenden See überblicken konnte. Mellanie hob den Blick zu der brodelnden Masse dicker schwarzer Wolken, die sich über dem gigantischen Lake Trine’ba zusammenbrauten. Endlich begriff Alessandra den Grund, warum es trotzdem noch so hell war.
Fünfzig Kilometer entfernt kamen zwei strahlend helle, an Tumore erinnernde Gebilde aus den Wolken, gigantische, wirbelnde Klumpen, die sich dem Boden entgegen senkten. Alessandra beobachtete, wie die Basis des größeren der beiden plötzlich auseinander brach, und acht massive Säulen aus Sonnenlicht prallten auf die Wasseroberfläche. Dampf detonierte an der Stelle des Aufpralls und sandte eine runde Kaskade aus strahlendem Nebel nach draußen über das aufgewühlte Wasser. Das Licht war so intensiv, dass es die Stadt und das umgebende Land kalt und blass erscheinen ließ. Mellanies Retinaimplantate aktivierten ihre stärksten Filter, doch selbst das reichte kaum aus. Die meisten Stadtbewohner in den Bussen duckten sich weg oder hielten sich schützend die Arme und Hände vor die Augen, während überall panische Schreie und Rufe ertönten. Sie wurden übertönt von einem durchdringenden Brüllen, als der Schall die Stadt erreichte und die noch stehenden Gebäude zum Erzittern brachte. Der Lärm wurde stetig lauter, bis Mellanies gesamtes Skelett in schmerzhafte Resonanz geriet. Das Bild aus ihren Inserts verschwamm zu einem undeutlichen Schwarzweiß. Unmittelbar über der Stadt geriet die Wolkendecke in einen Aufruhr, als gegenläufige Hochdruckfronten aufeinander prallten. Der peitschende, beinahe waagerecht hereinprasselnde Regen wechselte im Sekundentakt die Richtung, und jeder Tropfen brannte schmerzhaft auf ungeschützter Haut.
»Plasmaantriebe!«, brüllte Mellanie über das nicht enden wollende Tosen hinweg. »Diese Schiffe landen!«
Der zweite Wolkentumor riss auseinander, und acht weitere sonnenhelle Säulen stachen in den See herab. Nun musste auch Mellanie die Augen schützen, und das Bild wich einem blutroten Nebelschleier, als sie die durch die nackte Intensität des Lichts beinahe durchsichtige Hand hob. Trotz des monsunartigen Regens war die Hitze, die von den Plasmagasen herüber wehte, größer als die mittägliche Sonne in einer Äquatorwüste. Die Regentropfen dampften, während sie wie Projektile durch die Luft schossen.
Dann wurde das Licht ein wenig schwächer. Mellanie nahm die Hand von den
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