Conan der Befreier
ich ein ungutes Gefühl, und jeder Schatten macht mich mißtrauisch.«
Er unterbrach sich und schaute abrupt wachsam in eine Ecke des Zeltes. Dann zwang er sich zu einem rauhen Lachen und warf sich in seinen ledernen Faltstuhl.
»Crom!« fluchte er. »Ich bin so unruhig wie eine läufige Hündin. Aber ich weiß nicht, was es ist, das an meinen Eingeweiden nagt. Manchmal, bei unseren Besprechungen, ist mir fast, als belauschten die Schatten jedes unserer Worte.«
»Schatten haben zuweilen Ohren.« Trocero nickte. »Und Augen ebenso.«
Conan zuckte die Achseln. »Ich weiß, daß außer Euch und mir niemand hier ist, das Mädchen ruht sich aus, meine beiden Burschen putzen meinen Harnisch, und die Wachen ziehen ihre Runden um das Zelt. Trotzdem spüre ich, daß jemand lauscht.«
Trocero nahm Conans Ahnung nicht auf die leichte Schulter. Unruhe erwachte auch in ihm. Er hatte die Erfahrung gemacht, daß Verlaß war auf die primitiven Instinkte des Cimmeriers, die viel schärfer waren als die eines Mannes aus einer zivilisierteren Gegend, als seine, beispielsweise.
Trotzdem hatte auch er, Trocero, seinen eigenen sechsten Sinn, und der sagte ihm, daß der grazilen Tänzerin nicht zu trauen war, die nur zu willig als Conans Geliebte mitgekommen war. Etwas an ihr störte Trocero, obgleich er nicht genau sagen konnte, was es war. Gewiß, sie war schön – vielleicht zu schön, um für ein paar Kupfermünzen, die man ihr zuwarf, in einer Hafentaverne zu tanzen. Auch war sie zu schweigsam und geheimnisvoll für seinen Geschmack. Trocero hatte üblicherweise keine Schwierigkeiten, mit seinem Charme eine Frau dazu zu bringen, sich ihm mit einem Wasserfall von Worten anzuvertrauen. Aber bei Alcina hatte er absolut keinen Erfolg. Sie hatte seine Fragen höflich beantwortet, doch ohne dabei etwas über sich preiszugeben, und er war danach nicht klüger gewesen als zuvor.
Er zuckte die Achseln und schenkte sich ebenfalls einen Becher Wein ein. Zu den neun Höllen Mitras mit diesen beunruhigenden Gedanken! »Die Untätigkeit macht Euch zu schaffen, Conan«, meinte er. »Wenn wir erst auf dem Marsch sind und das Löwenbanner über unseren Köpfen flattert, werdet Ihr gleich wieder Euer altes Selbst sein. Dann werdet Ihr nicht mehr an lauschende Schatten denken.«
»Möglich«, brummte der Cimmerier.
Was Trocero sagte, war nicht von der Hand zu weisen. Stellte man Conan einen Feind aus Fleisch und Blut gegenüber, drückte ihm kalten Stahl in die Hand, dann würde er ohne Bedenken selbst gegen eine große Übermacht kämpfen. Doch hatte er mit ungreifbaren Bedrohungen und unfaßbaren Schatten zu tun, dann erwachte der primitive Aberglaube seiner barbarischen Vorfahren in ihm.
Hinter einem Vorhang in einem Winkel des Zeltes lächelte Alcina zufrieden wie eine Katze, die eine Maus verschlungen hat, während ihre schlanken Finger mit einem sonderbaren Talisman spielten, der an einer dünnen Kette von ihrem Hals hing. Auf der ganzen Welt gab es nur ein Gegenstück dazu.
Weit im Norden, hinter den Ebenen und Bergen, jenseits des Alimanes, saß Thulandra Thuu auf seinem schmiedeeisernen Thron. Auf seinem Schoß, zur Hälfte aufgerollt, hielt er ein Pergament mit astrologischen Diagrammen und Zeichen. Vor ihm, auf einem Tischchen, stand ein ovaler Spiegel aus schwarzem Vulkanglas. Am Rand dieses mystischen Spiegels fehlte ein halbrunder Splitter. Und diese kleine halbe Scheibe aus Obsidian, die mit unsichtbarer psychischer Kraft mit dem Spiegel verbunden war, hing zwischen den runden Brüsten der Tänzerin Alcina.
Während der Zauberer das Diagramm auf seinen Knien studierte, hob er hin und wieder den Kopf zu der kleinen Wasseruhr aus Gold und Kristall neben dem Spiegel. Von diesem seltenen Instrument erklang ein schwaches, gleichmäßiges Tropfen, das nur das schärfste Ohr vernehmen konnte.
Als die Silberglocke in der Uhr die Stunde schlug, nahm Thulandra Thuu die Hände von dem Pergament. Seine klauengleiche Hand beschrieb eine Bewegung vor dem Spiegel und murmelte einen Zauberspruch in einer unbekannten Sprache. Während er tief in den Spiegel schaute, verbanden sein Geist und seine Seele sich mit seiner Dienerin, der Lady Alcina. Denn wenn eine mystische Trance zu bestimmten Zeiten, die von gewissen Stellungen der Himmelskörper abhingen, den Geist der beiden vereinte, dann sah der Zauberer in Tarantia, was Alcina erblickte, und ihre gemurmelten Worte wurden auf magische Weise an ihn übermittelt.
Wahrlich, der Hexer
Weitere Kostenlose Bücher