Die Schwester der Braut
Vier Tage vor der Hochzeit
D as Klingeln an der Tür war über dem geschäftigen Trubel im Wohnzimmer kaum zu hören. Dort hatten sich nämlich eine Braut und ihre Freundinnen zu einem Junggesellinnenabend zusammengefunden und begossen gerade aufgeregt die bevorstehende Trauung.
Die Schwester der Braut sah den traditionellen Zeremonien um den großen Tag mit gemischten Gefühlen entgegen, und so war sie es auch, die die Türklingel bemerkte, denn sie stand etwas abseits aller Aufregung in der Tür zum Wohnzimmer.
»Ich gehe schon, Mom«, rief sie in Richtung Küche, wo ihre Mutter sich um Häppchen und Getränke kümmerte.
Als Alex die Tür öffnete, war sie einigermaßen überrascht. Die Frau, die vor ihr stand, war keine Freundin ihrer Schwester. Sie war älter, und sie war unbestimmbar vertraut.
»Willkommen, ich . . . Mrs. Lincoln!« Mit ein wenig Verspätung erkannte Alex die Frau, die gegenüber dem Haus ihrer Mutter – ihr Vater war vor fünf Jahren gestorben – wohnte. Sie war kleiner, als Alex sie in Erinnerung hatte – und dazu auch attraktiver. Alex starrte für einen langen Moment.
»Hallo, Alex. Ich habe schon gehört, dass du zur Hochzeit kommst. Und ich denke, du bist inzwischen alt genug, mich Dana zu nennen, oder?« Dana Lincoln lächelte und trat einen Schritt ins Haus.
Alex schob die Tür auf. Sie war noch immer etwas perplex, fand allerdings ihre Stimme wieder. »Alicia hätte es mir nie verziehen, wenn ich nicht gekommen wäre. Und Mom ebenfalls nicht. Es ist schön, Sie zu sehen, Mrs. . . . Dana.« Sie gab der Nachbarin die Hand, die einen Moment fest umklammert und dann wieder losgelassen wurde.
»Es freut mich auch, dich zu sehen. Du bist . . . gewachsen . . .« Dana lachte. Sie musste ihren Kopf in den Nacken legen, um zu der großen Frau aufzusehen. »Ich habe dich zumindest nicht so groß in Erinnerung. Oder so . . . Du bist wirklich eine Erscheinung!« Ihre Blicke fanden und hielten einander für einen kurzen Moment fest. Dana lachte überrascht auf. Die Überraschung, einander zu sehen, einander auf den ersten Blick sympathisch zu sein, jetzt, da sie beide erwachsen waren, nachdem sie sich praktisch Alex’ ganzes Leben gekannt hatten, war greifbar.
Alex errötete ob des Kompliments. »Kommen Sie doch herein. Alicia wollte gleich ihre Geschenke auspacken. Meine Mutter ist in der Küche, falls Sie sie suchen.« Sie hatte den zögernden Blick der älteren Frau auf die Gesellschaft im Wohnzimmer bemerkt und deutete auf den Weg, der ums Wohnzimmer herum in die hinteren Räumlichkeiten und die Küche führte.
»Danke. Ich denke, ich werde sehen, ob ich Lauren helfen kann.«
Dana ging zur Küche hinüber, und Alex sah ihr nach.
Es war wirklich eigenartig. Dana Lincoln war vermutlich der letzte Mensch, den sie hier und zu dieser Zeit erwartet hätte. Natürlich, sie und Alex’ Mutter Lauren waren befreundet – soweit Alex wusste allerdings nicht sehr eng. Sie selbst hatte während ihrer Kindheit und Jugend kaum etwas mit Dana zu tun gehabt, und Alicia noch weniger. Warum war sie also hier?
Alex schüttelte den Kopf und begab sich wieder ins Wohnzimmer.
Ihre Schwester sah sie erwartungsvoll an, da sie wohl wissen wollte, wer an der Tür gewesen war.
»Mrs. Lincoln«, bemerkte Alex.
»Oh, ja«, erwiderte Alicia. Ihre Stirn legte sich leicht in Falten. »Mom hat sie eingeladen. Sie meinte, sie könnte etwas Aufmunterung gebrauchen wegen . . .« Als sich ihre Mutter und der neue Gast dem Wohnzimmer näherten, brach Alicia schnell ab.
Alex konnte nur raten, warum die Nachbarin Aufmunterung gebrauchen könnte.
»Sieh mal, Ally, wer hier ist. Dana, setz dich doch!« Lauren balancierte einen gefüllten Sektkühler und einige Gläser in den Händen, wies ihrer Freundin jedoch trotzdem einen Platz an.
Dana schlängelte sich gekonnt durch die Menge der anderen Besucher, umarmte Alicia auf ihrem Weg und überreichte ihr die kleine rosafarbene Geschenktüte, die sie ihr mitgebracht hatte.
»Das ist aber lieb. Danke, Mrs. . . . Dana«, verbesserte sich Alicia, so wie ihre Schwester zuvor, und sah in die Tüte. Sie lächelte. »Das wäre wirklich nicht nötig gewesen«, sagte sie artig.
»Aber natürlich. Schließlich heiratet man nur . . . Nun, egal, wie oft man heiratet, man sollte immer beschenkt werden.«
Alex bemerkte, dass Danas Lächeln etwas verrutschte, während sie sich verbesserte.
»Darauf trinke ich«, bemerkte eine der
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