Conan der Schwertkämpfer
unwillkürlich. »Das Tor ist vergittert. Laß uns wieder wegreiten, Conan. Wir kommen nicht hinein.«
»Wir bleiben«, brummte der Cimmerier. »Wir kommen hinein, und wenn ich uns einen Weg durch dieses schädelähnliche Ding hacken muß. Halt die Pferde.«
Conan schwang sich aus dem Sattel, reichte dem zitternden Mädchen die Zügel und studierte den Eingang. Das Tor war durch ein riesiges bronzenes Fallgatter versperrt, das grün vom Alter war. Conan versuchte, es hochzuheben, aber seine mächtigen Muskeln, die sich an Armen und Schultern wie gewaltige Schlangen wanden, konnten es nicht einmal um Haaresbreite bewegen.
»Wenn es auf diese Weise nicht geht«, murmelte er, »probieren wir es auf eine andere.« Er kehrte zu Muriela und den Pferden zurück. Aus dem Sack auf dem Rücken des Packtiers holte er eine Rolle Seil, an dessen einem Ende ein Enterhaken befestigt war. Damit verschwand er um eine Biegung des Bauwerks und ließ das verängstigte Mädchen allein an dem gespenstischen Ort zurück. Mit der Zeit wurde ihre Angst zu beherrschender Furcht, und als eine Stimme leise ihren Namen rief, schrie sie vor Schrecken laut auf.
»Hier, Mädchen, hier!«
Verwirrt blickte sie schließlich hoch. Conan winkte ihr von einem der dunklen Fenster neben dem Portal zu.
»Binde die Pferde an«, bat er. »Und vergiß nicht, ihre Sattelgurte zu lockern.«
Als sie die Tiere an den zahnähnlichen Gitterstäben des Eingangs angekoppelt hatte, rief Conan: »Fang das Seil auf und setz dich in die Schlinge, die ich gemacht habe.«
Er ließ den Strick herunter, und als sie mit den Beinen durch die Schlinge geschlüpft war und sich gesetzt hatte, zog er sie hoch. Die grasenden Pferde und der grinsende Eingang drehten sich und schwankten unter ihr im Schein des aufgehenden Mondes. Sie biß die Zähne zusammen und schloß die Augen. Sie klammerte sich so fest an den Strick, daß ihre Knöchel alabasterweiß hervortraten. Doch schon bald schlossen Conans starke Arme sich um sie. Sie spürte die kalte Glätte des Marmorsimses unter ihren nackten Schenkeln, als er sie ins Innere zog. Erst als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte, seufzte sie erleichtert auf und öffnete die Augen.
Nichts in ihrer neuen Umgebung gab Anlaß zu abergläubischer Angst. Sie stand in einer leeren Kammer, deren Steinwände glatt und unverziert waren. Ihr gegenüber sah sie die Umrisse einer Falltür, ein dazwischen geklemmter Stock hielt sie offen.
»Hierher«, sagte Conan. Er stützte sie am Arm, als er bemerkte, wie unsicher ihr Schritt war. »Sei vorsichtig, die Bodenbretter sind alt und morsch.«
Von der Falltür führte eine Leiter in die Düsternis hinab. Sie kämpfte gegen aufsteigende Übelkeit an und ließ Conan vorausklettern, ehe sie folgte. Sie kamen in einen gewaltigen runden Raum, der im Halbdunkel gespenstisch wirkte. Ein Kreis von Marmorsäulen umgab sie, die das Kuppeldach über ihnen trugen.
»Die Puntier dieser Zeit können diesen Tempel nicht erbaut haben«, murmelte Conan. »Der Marmor muß von weit, weit her gebracht worden sein.«
»Wer, glaubst du, hat ihn errichtet?« fragte Muriela.
Conan zuckte die Schultern. »Ich weiß es nicht. Ein Nemedier, ein gelehrter Mann, den ich einmal kennenlernte, erzählte mir, daß blühende Kulturen entstehen und wieder zerfallen und nur verstreute Ruinen und einzelne Monumente von ihnen zurückbleiben, die von der Vergänglichkeit zeugen. Ich habe während meiner Wanderung viele gesehen. Vielleicht ist auch dieser Tempel ein Mahnmal eines großen vergangenen Reiches. Wir wollen Licht machen, ehe der Mond untergeht und es zu dunkel wird, um etwas zu sehen.«
Sechs kleine Kupferlampen hingen an langen Ketten von der Kuppel. Conan griff nach einer und löste sie von der Kette.
»Es sind Öl und ein Docht darin«, murmelte er. »Das bedeutet, daß jemand sie betreut. Ich frage mich, wer.«
Mit Feuerstein, Stahl und Zunder brachte Conan den Docht zum Brennen. Die Lampe verbreitete warmes gelbes Licht, als Conan sie hochhob, um sich umzuschauen.
Gegenüber dem Portal, vor einem durchbrochenen Marmorschirm sahen sie eine Plattform, zu der drei Stufen hochführten. Eine Figur hob sich aufrecht von diesem Podest.
»Das ist Nebethet höchstpersönlich!« erklärte Conan und betrachtete grinsend das lebensgroße Idol.
Muriela schauderte. Der flackernde Lampenschein offenbarte den wohlgerundeten und verführerischen nackten Leib einer schönen Frau. Doch statt eines bezaubernden
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