Conan der Schwertkämpfer
Die wahre Dämmerung wird noch eine Stunde oder mehr auf sich warten lassen.«
Wieder senkte sich Schweigen auf sie herab. Die wartenden Offiziere schritten leise die Mole auf und ab. Plötzlich blieb Conan stehen.
»Hört!«
Gleich darauf flüsterte er: »Ruderschlag! Nehmt eure Posten ein.«
Er weckte Flavius sachte mit dem Fuß, und die vier zogen sich hinter eine Deckung zurück.
»Verhaltet euch ganz ruhig!« warnte Conan.
Wieder blieb alles still. Der Mond war untergegangen. Ohne ihn schienen die Sterne viel heller zu funkeln, bis die echte Dämmerung sie verblassen ließ.
Ein schwaches rhythmisches Platschen und Knarren wurde vernehmbar, und bald waren die Umrisse eines Ruderboots im Nebel erkennbar. Als es näherkam, hoben sich fünf Köpfe ab.
Das Boot legte an. Ein Mann sprang heraus und vertäute es an einem Pflock. Brummend und ächzend stemmten die Ruderer einen schweren Gegenstand hoch.
Vier Männer hoben eine Stange, an der eine Truhe hing, auf die Schultern. Der fünfte schritt ihnen voraus zum Hafendamm. Im schwachen Licht der Dämmerung mochte ein scharfes Auge an der Lederkleidung der fünf erkennen, daß es sich um aquilonische Kundschafter handelte. Irgendwo unterwegs, dachte Conan, haben die Pikten ihre Last an diese Burschen übergeben.
Als die fünf sich dem Ende der Mole näherten, sprang er ihnen in den Weg und zog das Schwert.
»Bleibt stehen, wenn ihr nicht sterben wollt!«
Die drei anderen Offiziere rannten ebenfalls mit blanken Klingen aus ihren Verstecken. Einen Herzschlag lang herrschte absolutes Schweigen.
Die Träger ließen die Truhe krachend fallen. Wie ein Mann rannten sie die Mole zurück und sprangen in ihr Boot, das gefährlich zu schaukeln begann. Einer hackte hastig das Tau durch. Die anderen legten sich in die Riemen und ruderten davon.
Der Anführer wich erschrocken vor der plötzlichen Erscheinung des riesigen Cimmeriers zurück und wollte fliehen, aber er stolperte über die Truhe und fiel. Conan packte ihn mit eisernem Griff am dürren Hals und drückte die Schwertspitze an seine Kehle.
»Ein Laut, und du gibst nie wieder einen Ton von dir!« warnte der Cimmerier. Seine Augen funkelten durch die Dunstschwaden des frühen Morgens.
Die anderen Offiziere rannten an Conan und seinem Gefangenen vorbei zum Ende der Mole. Aber die Späher hatten in ihrem Boot bereits eine beachtliche Entfernung hinter sich gebracht und verschwanden allmählich im Nebel.
»Vergeßt die Hunde«, knurrte Conan. »Das hier ist Edric, der Verräter, der uns gestern in die Falle lockte. Er wird uns sagen, was wir wissen wollen, nicht wahr, Edric?«
Als der Kundschafter schwieg, brummte der Cimmerier: »Schon gut. Ich werde ihn noch zum Sprechen bringen.«
»Was jetzt, Conan?« fragte Glyco.
»Zurück in die Kaserne, in Euer Zimmer.«
»Aber, Conan, wie können wir sowohl den Verräter als auch die Truhe in die Kaserne schaffen?« fragte Flavius zweifelnd. »Es gehören vier dazu, die Truhe zu schleppen, und dann haben wir noch keine Wache für den Gefangenen.«
»Nehmt dem Hund das Messer, Flavius, und bindet seine Hände auf den Rücken. Sein Gürtel eignet sich dazu. So, und jetzt behaltet Ihr ihn im Auge.«
Conan gab den Verräter frei, richtete sich kurz auf, ehe er sich nach der Truhe bückte. »Glyco und Laodamas, stemmt das Ding ein wenig hoch, damit ich es auf meine Schulter heben kann.«
Die beiden Offiziere schoben ihre Achseln unter das eine Stangenende und richteten sich ächzend auf. Conan bückte sich soweit, daß seine rechte Schulter unter die Truhe kam. Mit angespannten Muskeln richtete auch er sich auf.
»Bei den Göttern!« staunte Laodamas. »Ich hätte nie geglaubt, daß ein Sterblicher eine solche Last zu tragen vermöchte!«
»Helft Flavius, den Gefangenen in die Kaserne bringen. Ich kann das Ding nicht halten, bis die Sonne aufgeht.«
Im fahlen Dämmerlicht machten sie sich auf den Rückweg. Voraus stapfte der Kundschafter, Glyco und Laodamas links und rechts von ihm und Flavius unmittelbar dahinter. Der junge Leutnant half den unwilligen Schritten des Gefangenen mit der Schwertspitze ein wenig nach. Conan folgte ihnen gebeugt und leicht schwankend mit der schweren Truhe, und seine Schultermuskeln hoben sich wie straffe Taue ab.
Als die ersten Vögel trillernd den Morgen begrüßten, erreichten sie die Kaserne. Der Wachtposten riß die Augen auf, aber als er die Offiziere erkannte, salutierte er wortlos.
5
DER GENERAL WIRD
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