Conan-Saga 06 - Conan von Cimmerien
Aufruhr bringt.
Glücklicherweise ist ein solch extremer Preis unnötig. Denn hier habe ich Euch, den Führer dieser Horde fremder Teufel, und um Euren Hals hängt der Vertrag des Sohnes des Himmels mit eurem ungebildeten, heidnischen König.«
Der kleine Herzog zog aus Conans Kettenhemd die Elfenbeinröhre mit dem Dokument hervor. Dann öffnete er die goldene Kette, mit dem sie um den Hals des Barbaren hing, und schob sie in einen seiner weiten Ärmel. Mit boshaftem Lächeln fügte er hinzu: »Was die Kraft betrifft, die Euch gefangenhält, wäre es zwecklos, sie Eurem kindlichen Verstand erklären zu wollen. Es genügt, wenn ich sage, daß das, woraus dieser Monolith geschlagen wurde, die merkwürdige Eigenschaft hat, Eisen und Stahl mit unwiderstehlicher Kraft anzuziehen. Also fürchtet nicht, es ist keine unheilige Magie, die Euch festhält.«
Für Conan bot diese Erklärung wenig Trost. Er hatte einmal in Aghrapur einen Jahrmarktszauberer Nägel mit einem Stück dunkelroten Stein aufheben sehen und nahm an, daß die Kraft, die ihn hielt, gleicher Art war. Aber da er nie von Magnetismus gehört hatte, war das eine wie das andere Zauberei für ihn.
»Damit Ihr Euch nicht falschen Hoffnungen hingebt, was eine Befreiung durch Eure Soldaten anbelangt«, fuhr Feng fort, »muß ich Euch versichern, daß ich auch daran dachte. In diesen Bergen hausen die Jagas, ein Stamm primitiver Kopfjäger. Von eurem Lagerfeuer angelockt, werden sie sich an beiden Talausgängen sammeln und euch, oder vielmehr natürlich nur Eure Krieger, bei Morgengrauen überfallen. So machen sie es üblicherweise.
Bis dahin hoffe ich, schon weit weg zu sein. Sollten sie mich zu fassen kriegen, nun – jeder muß einmal sterben, und ich glaube, es mit Würde und Anstand zu tun, wie es bei einem meines Standes und meiner Kultur zu erwarten ist. Mein Kopf würde zweifellos eine prächtige Trophäe in einer Jagdhütte abgeben.
Und jetzt, mein guter Barbar, muß ich mich von Euch verabschieden. Verzeiht dieser Person, daß sie Euch während Eurer letzten Lebensaugenblicke den Rücken zuwendet, denn Euer Los ist auf gewisse Weise bedauerlich und es würde mir keine Freude machen, Euer Ende mitanzusehen. Hättet Ihr das Glück gehabt, in Khitai aufzuwachsen, wärt Ihr vielleicht ein guter Diener geworden, mein Leibwächter, möglicherweise. Aber die Dinge ergaben sich eben anders.«
Nach einer spöttischen Verbeugung zog sich der Khitan zurück. Conan fragte sich, ob der Herzog beabsichtigte, ihn an den Schaft gefesselt zu lassen, bis er an Hunger und Durst starb. Falls seine Männer noch vor Morgengrauen auf seine Abwesenheit aufmerksam wurden, mochten sie ihn vielleicht suchen. Aber da er sich aus dem Lager gestohlen hatte, ohne auch nur einem seiner Leute Bescheid zu geben, würden sie wohl nicht wissen, ob sie sich seinetwegen Sorgen machen sollten oder nicht. Wenn es nur einen Weg gäbe, seine Soldaten zu verständigen, dann würden sie ihn nicht nur befreien, sondern auch kurzen Prozeß mit dem heimtückischen kleinen Edelmann machen. Aber er sah keinen von ihnen.
Wieder versuchte er, sich mit aller Kraft von dem Monolithen zu befreien, doch ohne Erfolg. Er konnte zwar seine Beine bis etwas über die Knie bewegen und seine Unterarme, ja und auch den Kopf ein wenig drehen, aber ansonsten klebte er mit der Kettenrüstung hilflos am Schaft.
Der Mond schien nun heller. Jetzt erst bemerkte Conan, daß zu seinen Füßen und überall um den Monolithen die traurigen Überreste von anderen Opfern verstreut waren. Knochen und Zähne von Menschen lagen überall in kleinen Haufen. Er mußte sogar auf sie gestiegen sein, als die geheimnisvolle Kraft ihn an den Schaft zog.
Im zunehmenden Licht stellte der Cimmerier fest, daß diese menschlichen Überreste seltsam verfärbt waren. Ein genauerer Blick zeigte ihm, daß die Gebeine da und dort zerfressen waren, als hätte eine Säure die glatte Knochenoberfläche aufgelöst. Jedenfalls kam an diesen Stellen das schwammähnliche Innere zum Vorschein.
Conan drehte den Kopf von Seite zu Seite und suchte eine Möglichkeit, sich zu befreien. Der glattzüngige Khitan hatte offenbar die Wahrheit gesprochen, denn jetzt waren ganz deutlich verschiedene Eisenstücke zu sehen, die von dem merkwürdig befleckten und verfärbten Monolithen festgehalten wurden. Zu seiner Linken entdeckte er die Schaufel, das Brecheisen und einen rostigen Helm, zu seiner Rechten klebte ein Dolch, an dem der Zahn der Zeit genagt hatte.
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