Conan-Saga 12 - Conan der Freibeuter
Persönlichkeit in der Sänfte mußte von so hohem Stand sein, daß niemand es wagte, gegen sie zu bieten.
Conan war müde, hungrig und schlechtester Laune. Man hatte ihn geschlagen, bis sein Schädel fast nur noch aus Platzwunden und Beulen zu bestehen schien. Man hatte ihn gezwungen, meilenweit in der sengenden Sonne zu marschieren. Man hatte ihm verdammt wenig zu essen und zu trinken gegeben. Und so war er nun so reizbar wie ein Löwe mit Zahnschmerzen. Als ein Sklavenjäger an seiner Kette zog, um ihn zum Block zu bringen, mußte er sich beherrschen, um nichts Unüberlegtes zu tun.
Noch vor ein paar Jahren wäre der Cimmerier, ohne an die Folgen zu denken, über den Burschen hergefallen. Er hätte ihn und sicher noch ein paar mehr zweifellos töten können, ehe sie mit ihm ein Ende machten – was sie genauso zweifellos tun würden. Diese Halunken waren schon mit vielen widerspenstigen Sklaven fertiggeworden. Sie brauchten nur einen Wurfspeer zu schleudern, ohne selbst in Gefahr zu geraten.
Wenn Conan angriff, mochte es zwar gelingen, einige in die Hölle zu schicken. Doch die restlichen würden ihn mit Speeren spicken und ihn mit ihren langen Dolchen zerstückeln, bevor er auch nur Atem zu einem Kampfschrei holen konnte. Und was würde dann aus Chabela? Nachdem er beschlossen hatte, ihre Sache zu seiner zu machen, hatte er – auch wenn er es sich selbst gegenüber nicht gern zugab – eine gewisse Verantwortung für sie übernommen. Also mußte er am Leben bleiben.
Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, er kniff die Lippen zusammen, seine Schläfenadern quollen an und pochten vor unterdrückter Wut. Seine Arme und Beine zitterten unter seiner Anstrengung, die Beherrschung nicht zu verlieren, als er zum Block stapfte. Ein Sklavenjäger hielt dieses Zittern für ein Zeichen der Angst, und grinsend flüsterte er einem Kameraden etwas zu. Conan warf dem Schwarzen im Turban einen so scharfen, furchterregenden Blick zu, daß das Grinsen schwand.
»Zieh dich aus!« befahl Zuru.
»Du wirst mir bei den Stiefeln helfen müssen«, sagte Conan ruhig. »Meine Füße sind vom langen Marsch geschwollen.« Er setzte sich auf den Block und streckte ein Bein aus.
Zuru brummte etwas und griff nach dem Stiefel. Eine kurze Weile kämpfte er vergeblich damit. Dann drückte der Cimmerier seinen anderen Fuß sanft gegen das Gesäß des Unterführers, entspannte den Fuß im Stiefel und schob. Zuru schoß wie von einem Katapult geschnellt durch die Luft und landete mit dem Gesicht in einer Pfütze.
Kreischend vor Wut kam der Sklavenjäger auf die Füße. Er entriß einem Kameraden die Peitsche und rannte damit zu Conan zurück, der noch auf dem Block saß und sich nicht übermäßig bemühte, ein leichtes Grinsen zu unterdrücken.
»Dir – dir werde ich es zeigen, weißer Hund!« schrillte Zuru und holte mit der Peitsche aus.
Als die Stränge aus Flußpferdhaut auf ihn zuschnellten, schoß Conans Rechte vor und schnappte sie. Ohne sich zu erheben, zog er Hand über Hand die Peitsche mitsamt Zuru zu sich heran.
»Nicht so heftig, kleiner Mann!« brummte er. »Du sollst doch die Ware nicht beschädigen, oder?«
Mbonani, der die Szene beobachtet hatte, versuchte ein Lächeln zu unterdrücken. »Der weiße Hund hat recht, Zuru. Überlaß es seinem neuen Herrn, ihm Manieren beizubringen.«
Aber Zurus Wut war so groß, daß er nicht auf seinen Anführer hörte. Mit einem schrillen Schrei riß er seinen Dolch aus der Scheide. Conan stand auf und raffte die Kette zwischen seinen Handgelenken zusammen, um sie als Waffe zu benutzen.
»Genug!« rief eine Stimme aus der Sänfte gebieterisch. Ihr scharfer Klang brachte selbst den rasenden Zuru wieder zur Besinnung.
Eine juwelengeschmückte schwarze Hand zog die Musselinvorhänge der Sänfte zurück, die vor neugierigen Blicken geschützt hatten, und gleich darauf stieg eine schwarze Frau aus. Conans Augen weiteten sich vor unwillkürlicher Bewunderung.
Die Frau war über sechs Fuß – fast so groß wie Conan – und von kräftiger Statur. Schwarz wie poliertes Ebenholz war sie, und die Sonne spiegelte sich auf ihren prallen Brüsten, den geschmeidigen Schenkeln und den langen muskulösen Beinen. In ihrem üppigen schwarzen Kraushaar trug sie einen mit Edelsteinen besteckten Federbusch in leuchtenden Tönen. Die Straußenfedern waren goldgelb, rosig und smaragdgrün gefärbt. Ungeschliffene Rubine glimmten an ihren Ohrläppchen, und mattschimmernde Perlen hingen in dichten Ketten
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