Conan und der Spinnengott
bis er alt und grau war und nur noch Suppe löffeln konnte, weil er keine Zähne mehr zum Beißen hatte. Und das, wo es doch noch so viel auf dieser Welt gab, das er noch nicht gesehen hatte, und so viele Abenteuer, die noch seiner harrten!
Aber obgleich er voll Grauen vor dem Gedanken zurückscheute, den Rest seines Lebens als Yezuds Schmied zubringen zu müssen, brannte doch das Verlangen wild in ihm, Rudabeh wiederzusehen, in ihr hübsches Gesicht zu blicken, ihre weiche Stimme zu hören, ihre stolze Tänzerinnenfigur zu bewundern, ihre feste Hand zu halten. Es war nicht allein Leidenschaft, obwohl es ihm daran gewiß nicht mangelte!
Auch war sein Verlangen nicht einfach der Hunger nach einer Frau – irgendeiner Frau. Er hätte jederzeit, wenn es ihm danach gewesen wäre und er ihrem Vater die Gebühr bezahlt hatte, mit Mandana die Nacht verbringen können. Aber er begehrte nur eine Frau, keine andere.
Dieses Verlangen, diese Abhängigkeit, waren Conan neu, und es gefiel ihm nicht. Immer wieder mahnte er sich, dieses unsichtbare Netz zu zerreißen, ehe es zu spät war. Doch jedesmal, wenn er daran dachte, wurde er schwach, wurde ihm klar, daß er Rudabeh genausowenig einfach vergessen konnte, wie er es fertigbrächte, einen greisen Bettler zu berauben.
Außerdem hatte er Parvez versprochen, Jamilah zu befreien, denn schließlich hatte er ja den Schlüssel bekommen, der ihm Zutritt zum Tempel verschaffen würde, wo er die Augen Zaths zu stehlen hoffte. Doch wenn er die Augen nahm, würde er so schnell aus Yezud fliehen müssen, wie sein Pferd ihn tragen konnte. Das wäre nicht schlimm, wenn Rudabeh ihn begleitete – aber angenommen, sie weigerte sich? Würde er sein Vorhaben, die Augen zu rauben, aufgeben, um sich für ständig in Yezud niederzulassen? Und tat er es, würden dann sowohl er als auch das Mädchen Feriduns Seuche, oder was immer es war, entgehen? Es wäre absurd, die Mühe und Gefahr, Jamilah zu befreien, auf sich zu nehmen und dann den Schlüssel von Gazrik nicht zu nutzen.
Seine Gedanken überschlugen sich und wirbelten wie Milch in einem Butterfaß, ohne daß er zu einem Entschluß gekommen wäre. Schließlich gab er es auf, einschlafen zu wollen, und stand wieder auf.
Einige Zeit nach Mitternacht, als Hauptmann Catigern seine brythunischen Wachen inspizierte, sah er von der Stadtmauer, daß sich auf der Straße von Shadizar etwas bewegte. Er beobachtete es eine Weile, und schließlich wurde der Punkt, den er gesichtet hatte, zu einem Mann, der durch Khesron rannte und dann den Pfad zur Festung hoch. Catigern drehte sich scharf zu dem wachhabenden Offizier um.
»Wer ist das? Ein Kurier vom König?«
»Nein«, antwortete der Leutnant. »Wenn ich mich nicht irre, ist es bloß Nial, der Schmied. Er verließ Yezud vor einer guten Weile und sagte, er müsse sich so richtig auslaufen.«
Heftig atmend wartete Conan darauf, daß man ihm die kleine Tür im Tor öffne. Keuchend trottete er hindurch, bedankte sich knapp bei den Brythuniern und verschwand.
»Ich frage mich«, murmelte der Leutnant nachdenklich, »ob unser Schmied wohl den Verstand verloren hat. Noch nie habe ich einen Mann so laufen sehen, außer er versuchte, seinen Feinden zu entgehen.«
Catigern grinste. »Ja, vielleicht hat er wirklich den Verstand verloren – eines Mädchens wegen. Die Liebe hat Menschen schon zu Verrückterem veranlaßt, als wie wild unter den Sternen dahinzurasen.«
9. Das Pulver des Vergessens
9
DAS PULVER DES VERGESSENS
Während er Rudabeh den Hof machte, wenn man es so nennen konnte, traf Conan Vorbereitungen für eine mögliche plötzliche Flucht, obgleich er selbst noch nicht wußte, wozu er sich schließlich entscheiden würde. Er, der gewohnt war, schnelle Entschlüsse zu fassen, ob nun richtig oder falsch, fühlte sich bei dieser quälenden Unentschlossenheit gar nicht wohl.
Jeden Tag machte er eine längere Arbeitspause, um sein Pferd auszureiten. Er schliff die Säbelklinge. Er besserte seine Stiefel, das Zaumzeug, den Sattel, und seine sonstige Ausrüstung aus. Er legte haltbaren Proviant zur Seite: gepökeltes Fleisch, Dörrfleisch, Zwieback und einen Sack Datteln, den Händler aus Zuagir verkauft hatten. Er lieh sich Parvez' Karte aus und studierte sie.
Wenn er mit den Augen Zaths aus Yezud fliehen wollte, wohin sollte er sich wenden? Nach Turan zurückzukehren wäre Selbstmord, solange Tughril es auf ihn abgesehen hatte. Er beging nicht den Fehler, die Zauberkräfte und
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