Congo
Filme an, die zeigten, wie Vicki sprach. Sie hatten den Eindruck, daß Vicki weniger Schwierigkeiten mit dem Erlernen der Sprache als vielmehr mit dem Sprechen hatte. Es fiel ihnen auf, wie schwerfällig im Gegensatz zu den geschmeidigen ausdrucksstarken Handbewegungen des Affen seine Lippenbewegungen waren. Die naheliegende Schlußfolgerung lautete: Man muß es mit einer Zeichensprache versuchen.
Im Juni des Jahres 1966 begannen die Gardners damit, ein junges Schimpansenweibchen namens Washoe im Gebrauch der für Taubstumme entwickelten amerikanischen Zeichensprache Ameslan zu unterrichten. Washoe machte rasche Fortschritte und verfügte bereits 1971 über einen Sprachschatz von einhundertsechzig Zeichen, die sie in der Unterhaltung einsetzte. Sie kombinierte auch selbst neue Wörter für Dinge, die sie nie zuvor gesehen hatte: beispielsweise machte sie, als sie zum erstenmal einen Schwan sah, das Zeichen für »Wasservogel«. Die Arbeit der Gardners war umstritten: es zeigte sich, daß viele Wissenschaftler von der Unfähigkeit der Affen, eine Sprache zu lernen, fest überzeugt waren. So sagte ein Forscher:
»Wenn man daran denkt, wie viele berühmte Leute wie viele gelehrte Abhandlungen, darüber verfaßt haben, daß nur der Mensch über Sprache verfügt wie schrecklich!«
Auf Grund von Washoes Fertigkeiten machte man sich an zahlreiche weitere Sprach-Lern-Experimente. Einem Schimpansenweibchen namens Lucy wurde beigebracht, über einen Computer mit der Außenwelt zu kommunizieren, ein weiteres, Sarah, lernte, Kunststoffmarken auf einer Tafel sinnvoll anzuordnen. Auch mit anderen Affenarten wurde experimentiert. So nahm man 1971 den Unterricht mit Alfred, einem Orang-Utan, auf, 1972 mit Koko, einem Flachland-Gorilla, und schließlich begann 1973 Peter Elliot mit Amy, einem Berggorilla-Weibchen, zu arbeiten. Bei seinem ersten Besuch im Krankenhaus fand er ein jämmerliches kleines Geschöpf vor, das unter dem Einfluß starker Beruhigungsmittel stand und an seinen dürren schwarzen Armen und Beinen mit Gurten festgebunden war. Er streichelte den Kopf der Äffin und sagte freundlich: »Hallo, Amy, ich bin Peter.« Amy biß ihn prompt in die Hand, so daß sie blutete. Aus diesen wenig verheißungsvollen Anfängen entwickelte sich ein einzigartig erfolgreiches Forschungsprogramm. 1973 war die Grund-Unterrichtsmethode, das »Nachbilden«, weithin bekannt. Dem Tier wurde ein Gegenstand gezeigt, und zugleich bildete der Forscher mit der Hand des Tieres das richtige Zeichen, bis eine feste Gedankenverbindung bestand. Anschließende Überprüfungen ergaben, daß das Tier die Bedeutung des Zeichens verstand.
Zwar gab es grundsätzliche Übereinstimmung über das Verfahren selbst, doch wetteiferten die Wissenschaftler bei seiner Anwendung, so zum Beispiel, was die Geschwindigkeit des Zeichenerwerbs oder den Erwerb von »Vokabular« anging. Man bedenke, daß beim Menschen der Wortschatz als eine der besten Möglichkeiten gilt, die Intelligenz einzuschätzen. Die Geschwindigkeit des Zeichenerwerbs konnte als Maßstab für die Fähigkeiten des Wissenschaftlers oder für die des Tieres dienen. Inzwischen erkannte man allgemein an, daß Affen individuell unterschiedliche Persönlichkeiten hatten. Ein Wissenschaftler drückte das so aus: »Die Erforschung von Orang-Utans ist möglicherweise das einzige Gebiet, auf dem die Lernenden und nicht die Lehrenden Gegenstand des akademischen Klatsches sind.« In der Welt der Primatenforschung, die zunehmend von Wettstreit und Eifersüchteleien beherrscht wurde, hieß es bald, Lucy sei Alkoholikerin, Koko eine verzogene Göre, Lana habe sich durch ihre Berühmtheit den Kopf verdrehen lassen (»sie arbeitet nur noch, wenn ein Interviewer in der Nähe ist«), und Nim sei von geradezu gespenstischer Dummheit. Es mag auf den ersten Blick seltsam erscheinen, daß auch Peter Elliot angegriffen wurde. Der gutaussehende und eher zurückhaltende Mann, Sohn eines Bibliothekars im Marin Country, war in den Jahren, in denen er mit Amy arbeitete, allen Streitigkeiten aus dem Weg gegangen. Seine Veröffentlichungen waren bescheiden und gemäßigt, seine Fortschritte mit Amy gründlich belegt; er hatte kein Interesse an Publicity und gehörte auch nicht zu den Forschern, die ihre Affen in die Talkshow mitnahmen. Doch verbarg sich hinter Elliots zaghaftem Auftreten nicht nur eine wache Intelligenz, sondern auch brennender Ehrgeiz. Er mied Auseinandersetzungen lediglich, weil er keine Zeit dafür hatte
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