Congo
anderes war. Er hielt ein zerquetschtes, glitschiges Menschenauge zwischen den Fingern, rosaweiß, mit einem Stück weißem Sehnerv daran.
Er brachte sein Gewehr in Anschlag und sah zu Misulu hinüber. Misulu saß nicht mehr auf seinem Felsen.
Krüger durchquerte das Lager. Die Stummelaffen über ihm schwiegen jetzt. Er hörte das schmatzende Geräusch seiner Stiefel im Schlamm, als er an den Zelten mit den schlafenden Männern vorbeiging.
Dann hörte er wieder das Keuchen — ein seltsames, leises Geräusch, das durch wirbelnden Morgendunst drang. Hatte er sich geirrt, war es wirklich ein Leopard? Dann sah er Misulu. Er lag auf dem Rücken in einer Blutlache. Sein Schädel war von den Seiten her zusammengedrückt, die Jochbeine zerschmettert, so daß das Gesicht schmal und in die Länge gezogen schien. Der Mund stand offen, als gähnte er, und das ihm verbliebene Auge trat weit aus dem Kopf hervor. Das andere Auge war offenbar durch Druck herausgeschleudert worden.
Als Krüger sich vorbeugte, um die Leiche näher zu untersuchen, fühlte er sein Herz klopfen. Was konnte eine solche Verletzung verursacht haben?
Dann hörte er wieder das leise Keuchen, und diesmal war er ganz sicher: das war kein Leopard.
Dann begannen die Stummelaffen wieder zu kreischen, und Krüger sprang auf die Füße und schrie laut auf.
1. Tag
Houston
13. Juni 1979
1. ERTS Houston
Gut fünfzehntausend Kilometer entfernt saß Karen Ross in Houston in dem kalten, fensterlosen Datenzentrum der Earth Resources Technology Services (ERTS) Inc. über ein Datensichtgerät gebeugt. Eine Tasse Kaffee neben sich, wertete sie die letzten Bilder aus, die der Satellit Landsat aus Afrika übermittelt hatte. Karen Ross war für das Kongo-Projekt der ERTS zuständig, und während sie für die Satellitenbilder künstliche Kontrastfarben, blau, rot und grün, einstellte, sah sie ungeduldig auf ihre Uhr. Sie wartete auf die nächste Übertragung der Arbeitsgruppe aus Afrika.
Es war jetzt 22 Uhr 15 Houston-Zeit, doch gab es in dem Raum keinen Hinweis auf Ort oder Zeit. Ob Tag oder Nacht, die Datenzentrale der ERTS blieb unverändert. Im Licht zahlreicher speziell abgestimmter Kalon-Leuchtstoffröhren arbeiteten Programmierer in Pullovern an langen Reihen leise klickender Computer-Datenplätze und lieferten so den Forschertrupps auf der ganzen Welt, die die ERTS von diesem Raum aus überwachte, Echtzeiteingaben. Diese gewisse Zeitlosigkeit war notwendig für die Computer; sie brauchten eine gleichbleibende Temperatur von sechzehn Grad Celsius, abgeschirmte elektrische Leitungen und eine spezielle farbkorrigierte Beleuchtung, die die Schaltungen nicht beeinträchtigte. In dieser für Maschinen geschaffenen Umgebung waren die Bedürfnisse der Menschen zweitrangig.
Doch es gab noch einen weiteren Grund für die Auslegung dieser Anlage. Es wurde gewünscht, daß die Programmierer in Houston sich mit den Forschergruppen draußen identifizierten und soweit wie möglich nach deren Zeitplänen lebten. Die Eingabe von Baseball-Spielen und anderen lokalen Ereignissen wurde nicht gern gesehen. Keine Uhr zeigte Houston-Zeit, wohl aber gaben acht große Digitaluhren an der gegenüberliegenden Wand die Ortszeit für die verschiedenen Forschergruppen an. Die Uhr, unter der EXPEDITION KONGO stand, zeigte 06.15, als aus dem Deckenlautsprecher die Mitteilung kam: »Dr. Ross, Video-Eingang im Steuerraum.«
Sie gab die digitalen Codes ein, die das Kennwort blockierten, und verließ die Konsole. Jeder Datenplatz in der ERTS hatte eine Kennwortsteuerung, das Ganze funktionierte wie ein Zahlenschloß. Diese Steuerung war Teil eines ausgeklügelten Systems, das ein Anzapfen ihrer ungeheuren Datenfülle von außen verhindern sollte.
Die ERTS handelte mit Informationen, und wie R. B. Travis, ihr Leiter, gern sagte, war Stehlen die einfachste Art, an Informationen heranzukommen.
Karen Ross ging mit langen Schritten durch den Raum. Sie war knapp einsachtzig groß, eine hübsche, wenn auch etwas unelegante junge Frau.
Mit ihren vierundzwanzig Jahren war sie jünger als die meisten hier beschäftigten Programmierer, aber trotz ihrer Jugend von einer Selbstsicherheit, die die meisten Menschen verblüffte — und wohl auch ein wenig beunruhigte. Karen Ross war ein wahres mathematisches Wunderkind. Schon mit zwei Jahren hatte sie, wenn sie mit ihrer Mutter einkaufen ging, im Kopf ausgerechnet, ob es günstiger sei, eine Viertel-Kilo-Packung zu neunzehn Cent oder eine
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