124 - Auf der Todesgaleere
David DePrey hatte ernsthafte Probleme. Er war wohl - außer seiner wenig attraktiven Sekretärin Rebecca Welles - der einzige an Bord der »Glory Day«, der diese Reise nicht zu seinem Vergnügen gebucht hatte.
DePrey war ein kraftstrotzender, gutaussehender Selfmade-Mann. Er kam von ganz unten und hatte sich mit Fleiß und Zähigkeit nach oben gearbeitet - bis an die Spitze einer kleinen Traktorenfabrik, deren Produkte sich qualitativ sehen lassen konnten.
Das war der Grund, weshalb sich der Branchenriese - die Vereinigten Motorenwerke - für das kleine Unternehmen interessierten und es schlucken wollten.
Wenn es dazu kam, war es vorbei mit DePreys Freiheit. Man würde ihn gnadenhalber zum Direktor seiner eigenen Fabrik machen, in Wirklichkeit aber würde man ihn zum Befehlsempfänger degradieren, der nur noch tun durfte, was er von oben diktiert bekam, und dagegen wehrte er sich verzweifelt.
Er befand sich mit seiner Sekretärin an Bord, weil er gehofft hatte, den großen Boß der Vereinigten Motorenwerke, Ed LaGreca, davon abzubringen, den entscheidenden Schritt zu veranlassen.
Gleich am Beginn der Fahrt hatte DePrey den Mann bekniet. Er hatte sich erniedrigt wie nie zuvor in seinem Leben, und seine Sekretärin hatte ihm tüchtig Schützenhilfe geleistet, doch Ed LaGreca, der diese Vergnügungsreise seiner Frau zum Hochzeitstag geschenkt hatte, wollte von Geschäften nichts wissen.
»Hören Sie, DePrey«, hatte er unfreundlich gesagt. »Was wollen Sie eigentlich von mir…?«
»Sie wissen, daß ich die Verbindlichkeiten derzeit nicht begleichen kann, Mr. LaGreca. Ein momentaner Engpaß…«
»Wenn man sein Unternehmen mit dem richtigen Weitblick führt, kann es zu solchen Engpässen nicht kommen«, sagte der dicke LaGreca belehrend.
DePrey wäre vor Wut beinahe geplatzt. Mit großer Mühe hatte er sich beherrscht und sich sogar dazu überwunden, LaGreca recht zu geben. Er bettelte um Zahlungsaufschub, doch Ed LaGreca war nicht dazu zu bewegen. Er bat DePrey, ihm seinen Urlaub nicht zu versauen und ihn nicht mehr zu belästigen.
»Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie es einrichten könnten, mir auf dieser Reise nicht mehr über den Weg zu laufen«, hatte LaGreca gesagt.
»Keine Sorge, Mr. LaGreca, ich werde Sie nicht mehr belästigen«, hatte David DePrey resigniert erwidert.
In der Bar hatte er dann vier Whiskies getrunken - Rebecca Welles einen -, und anschließend hatte er seine Sekretärin in ihre Kabine geschickt.
Jetzt klopfte es an seine Kabinentür. »Ja!« rief er desinteressiert.
Rebecca Welles trat ein. Sie war eine gute Seele, nicht besonders hübsch, flach wie ein Brett, aber äußerst tüchtig. Sie opferte sich für die Firma auf, und sie war in ihren Chef verliebt, was diesem noch nie aufgefallen war.
Verlegen hielt sie eine Whiskyflasche hoch. »Die habe ich besorgt, Chef. Ich dachte, vielleicht sollten wir noch ein Glas zusammen trinken.«
»Gute Idee«, brummte DePrey. »Setzen Sie sich, Rebecca! Ich könnte LaGreca umbringen. Er ist ein eiskaltes Schwein. Dieser Mann hat kein Herz.«
»Er ist ein Profitgeier von der übelsten Sorte.«
»Wie recht Sie haben.« DePrey stellte zwei Gläser auf den Tisch, nahm seiner Sekretärin die Flasche aus der Hand, schraubte den Verschluß ab und goß ein.
»Wir sind noch nicht verloren, Chef«, sagte Rebecca.
»Wenn man bedenkt, was ich schon alles hinter mir habe - und dann soll ich über lächerliche 200 000 Pfund stolpern.«
»Sie schaffen es, Chef«, sagte Rebecca zuversichtlich.
»Die Vereinigten Motorenwerke -und somit Ed LaGreca - befinden sich im Besitz eines Wechsels, der fällig ist, wenn diese Reise zu Ende geht, und Sie wissen ebensogut wie ich, daß ich das Geld in dieser kurzen Zeit nicht auftreiben kann.«
»Wenn Bond & Leigh zahlen, sind wir wieder flüssig. Sie sollten denen morgen früh ein Telegramm schicken. Ich habe gehört, mit dieser Firma geht es langsam wieder aufwärts. Die Geschäftsleitung hat damit begonnen, den Schuldenberg abzubauen. Mit einem Telegramm können Sie sie vielleicht veranlassen, uns vorzuziehen.«
Das war ein winziger Lichtblick, ein ganz kleiner Hoffnungschimmer. Vielleicht war DePrey doch noch nicht verloren. Darauf trank er mit seiner Sekretärin.
»Was würde ich ohne Sie tun, Rebecca?« fragte er, und in dieser Nacht kam sie ihm zum ersten Mal nicht so unhübsch wie sonst vor. Lag es am Whisky? An seiner Stimmung?
Er streckte die Hand aus und streichelte ihr knöchernes Gesicht. Sie
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