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Congo

Congo

Titel: Congo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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einem anderen unterscheiden zu können. Elliots Blick fiel auf einen gebogenen Knochen. Er ähnelte in etwa dem Gabelbein eines Truthahns, nur war er sehr viel größer und breiter und vom Alter völlig ausgebleicht. Er hob ihn auf. Es war ein Stück des Jochbogens von einem Menschenschädel, ein Wangenknochen, der unterhalb des Auges sitzt.
    Er wandte das Knochenstück in seinen Händen hin und her. Er sah wieder auf den Waldboden, auf die Schlingpflanzen, die sich mit besitzergreifenden Ranken über den weißen Teppich aus Knochen zogen. Jetzt sah er viele feine Knochen, einige von ihnen so dünn, daß Licht hindurchschien — Knochen, die eigentlich nur von kleinen Tieren stammen konnten. Dann war er nicht mehr so sicher.
    Ihm fiel etwas ein. Er hatte es während des Studiums gelernt. Welche sieben Knochen bildeten die knöcherne Augenhöhle des Menschen? Elliot versuchte sich zu erinnern. Jochbein, Stirnbein, Nasenbein, der große Keilbeinflügel… das waren erst vier… Siebbein… fünf… einer mußte unten liegen, vom Mund her kommend… das os palatinum, das Gaumenbein… machte sechs… und noch einer fehlte… Er fiel ihm nicht ein: Jochbein, Stirnbein, Nasenbein, Keilbein, Siebbein, Gaumenbein… Feine Knochen, durchscheinende Knochen, kleine Knochen. Menschenknochen.
    »Immerhin sind es keine Knochen von Menschen«, sagte Karen Ross.
    »Nein, das nicht«, stimmte Elliot zu. Er warf einen Blick auf Amy.
    Amy teilte ihm mit: Hier Menschen sterben.
    »Was hat sie gesagt?«
    »Sie sagte, daß den Menschen die Luft hier nicht bekommt.«
    »Sehen wir zu, daß wir weiterkommen.«
    Munro nahm ihn beiseite. »Gut gemacht, Professor«, lobte er ihn. »Wir müssen aufpassen, daß die Träger uns nicht verrückt werden. Was hat Ihr Gorilla gesagt?«
    »Daß hier Menschen ums Leben gekommen sind.«
    »Da weiß sie mehr als die anderen«, sagte Munro und nickte bitter. »Aber sie ahnen etwas.«
    Hinter ihnen schritt der Trupp im Gänsemarsch.
    Niemand redete. »Was zum Teufel ist da bloß passiert?« fragte Elliot.
    »Ziemlich viele Knochen«, sagte Munro. »Von Leoparden, Stummelaffen, anderen kleinen Affen, Menschen…«
    »Und von Gorillas«, sagte Elliot.
    »Ja«, sagte Munro. »Das habe ich auch gesehen, Gorillaknochen.« Er schüttelte den Kopf. »Was kann bloß einen Gorilla töten, Professor?« Darauf wußte Elliot keine Antwort.
    Das Lager des Konsortiums bot ein Bild der Verwüstung. Die Zelte waren zerfetzt, auf den Leichen saßen Fliegen in dichten schwarzen Trauben. Der Gestank war in der feuchten Luft unerträglich, und das Gesumm der Fliegen klang irgendwie wütend. Alle außer Munro blieben am Rand des Lagers. »Es bleibt nichts anderes übrig«, sagte er. »Wir müssen herausfinden, was mit denen hier passiert ist —« Und damit tat er einen Schritt über die niedergewalzte Umzäunung und betrat das eigentliche Lager.
    Als Munro weiterging, wurde der Alarm ausgelöst — ein durchdringendes, schrilles Geräusch.
    Die anderen bedeckten ihre Ohren mit den Händen.
    Amy knurrte vor Mißbehagen. Geräusch böse.
    Munro warf ihnen einen Blick zu. »Mir macht das nichts aus«, sagte er. »Das habt ihr davon, daß ihr draußen geblieben seid.« Er ging zu einem der Toten hin und drehte ihn mit dem Fuß um. Dann beugte er sich nieder, wedelte die Wolke ärgerlich brummender Fliegen davon und untersuchte gründlich den Kopf. Karen Ross sah zu Elliot hinüber. Er schien unter der Einwirkung eines Schocks zu stehen. Typisch Naturwissenschaftler, dachte sie. Angesichts einer Katastrophe zu keiner Reaktion fähig. Amy neben ihm hielt sich ängstlich die Ohren zu. Karen Ross jedoch war durchaus zu Reaktionen fähig, sie atmete tief ein und überquerte ebenfalls den Zaun. »Ich muß wissen, was für eine Alarmanlage sie hatten.«
    »Schön«, sagte Elliot. Er fühlte sich von alldem nicht betroffen. Er war benommen. Ihm war, als würde er gleich ohnmächtig. Der Anblick und der Geruch der Toten verursachten ihm Ekel. Er sah, wie Karen Ross sich durch das Lager vorarbeitete und einen schwarzen Kasten mit einem seltsamen Trichter ergriff. Sie folgte einer Leitung zur Mitte des Lagers hin. Gleich darauf hörte das Hochfrequenzsignal auf, sie hatte es abgeschaltet.
    Amy ließ wissen: Jetzt besser.
    Mit der einen Hand untersuchte Karen Ross die elektronischen Einrichtungen in der Mitte des Lagers, während sie sich mit der anderen die Nase zum Schutz gegen den infernalischen Gestank zuhielt. Kahega sagte: »Ich will

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