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Conviva Ludibundus

Conviva Ludibundus

Titel: Conviva Ludibundus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna und Günter Braun
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seiner langen Beine aus der Hängematte, sein Gesicht nahm einen schlaffen Ausdruck an. Ist eben eine Flaute. Ich kenn das von meinem Urururgroßvater. Kein Wind in die Segel uns pfiff, die Pest war unsere Plage, so liefen wir auf ein Riff.
      Die Pest, dachte ich. Dem kommen aber Vergleiche. Ich hatte plötzlich einen Satz aus einem alten Buch im Kopf, und da er mit ihnen gefangen war, mußte er mit ihnen aushalten, bis zum bitteren Ende.
      Na, dachte ich, so sieht es ja nun doch nicht aus.
      Ich zögerte, zu Nickelsen zu ziehen, aber die kleine Kutz fand es aufregend, in einer echten Kapitänskabine bei einem echten Kapitän zu wohnen.
      Nickelsen zog eine Folie quer. So sahen wir uns zeitweilig nur als Schatten.
      Eines Tages kam Doktor Klimm vorbei. Befürchten Sie nicht, daß Sie schon wieder zusammenrücken sollen. Er knipste einen Plastsack auf. Hier bringe ich Ihnen die neue Muschel, Geschenk vom Chef.
    Er legte vor jeden von uns ein straußeneigroßes knallgrünes Exemplar.
      Übrigens, fragte Klimm gedämpft, ist morgen nicht Ihr neunzigster Geburtstag?
      Nein, sagte ich, der ist noch nicht. Er war total vergessen worden. Kein Medium hatte darauf hingewiesen. Mein richtiger neunzigster Geburtstag, der kommt noch, dachte ich.

    23

    Ich habe zu Anfang von dem Dauerbild geschrieben, das sich mir darbot, wenn ich am Fenster meines von künstlichen Winden durchsäuselten Hauses die weißen Rollos aufzog.
      Der helle Strand, das Meer und die dunkelgetönten Reihen des Meeresgartens, die manchmal unter der Gräue bewegten Wassers unsichtbar wurden. Ich schrieb auch von den Figuren, die durch mein Bild spazierten, den Liebespaaren, die sich vom Meeresrestaurant Muschelsaftflaschen holten, die sie noch im Gehen austranken, den Erntearbeitern, den Studenten mit Notizblöcken und kleinen Rechnern.
      Während der ersten Zeit der Medaillonproduktion an der DoktorDroll-Insel geschah es oft, daß ich träumte, ich wäre ein junger Mann und ginge in diesem alten, nicht mehr existierenden Bild spazieren.
      Ich träumte, ich tauchte in meinen alten Meeresgarten hinab und durchschwömme die Reihen mit den Grünen Medaillons und den Algenkulturen, dem Meerkohl und den Meer-Erbsen. Aber immer wieder strich ich an den silbergrünen Medaillons entlang, und ich fühlte ab und zu die leise, beinahe zärtliche Strömung, die plötzlich im Wasser entstand und meine Haut kitzelte. Ich hatte das Gefühl eines Fließens im großen Fluß des Meeres, und ich tauchte aus solchen Träumen sanft an die Oberfläche.
      Ich glitt. Und Friederike, die kleine Kutz, tauchte mit mir auf. Jedenfalls hielten wir uns im Augenblick des Wiedererscheinens fest, wir schmiegten uns aneinander, wir lagen eine Weile mit offnen Augen stumm da, und ganz gemächlich erhoben wir uns, traten vor die Folie, die Kapitän Nickelsen durch seine Kabine gespannt hatte, und fingen an zu frühstücken.
      Durch ein großes Bulleye blickte ich auf einen Teil der Doktor-DrollInsel. Sie erschien zunächst kahl und unwirtlich, nur ein zackiger gelber Felsen und etwas dürres Gras. Aber ich konnte ein Stück von einem zum Erntegerät umgebauten Universalgreifer sehen, hier und da Häufchen von Grün, in die er hineinfuhr, als höbe er sie auf. Aber wenn er abschwenkte, schien es, als hätte er die Haufen erst hingelegt, sie vergrö ßert. Ansonsten sah ich nichts. Wir zerteilten unsere Supermuschel und tranken ihren Saft, und Kutz tupfte sich davon etwas aufs Gesicht und auf ihre kleine Brust.
      Als ich an diesem Morgen auftauchte, wußte ich nicht, wo ich war. Zwar lag Friederike neben mir und hielt mich fest. Ich glaube, sie hielt mich fester denn je, so daß ich kaum Luft bekam. Dann schmeckte ich Salzwasser, das in meinen Mund lief. Sollte es wahr sein, weinte ich?
      Ein alter Mann weint im Schlaf und wacht unter Tränen auf. Welch scheußliches Bild. Aber im Traum war ich ja ein junger Mann.
      Weinte ich, weil ich alt an die Oberfläche gestiegen war?
      Auch die Kutz schien sich elend zu fühlen. Sie sah grünlich aus, sie wollte mich trösten, schien es, sie streichelte mich, sie fuhr mit ihrem grünlichen Mund meinen Körper entlang. Ist nicht so schlimm, Phil, wird alles noch gut werden.
      Ich versuchte sie an mich zu drücken, es gelang nicht. Eben noch ein junger Mann, und jetzt kam ich nicht mehr hoch, lag schlaff auf dem grünlich scheinenden Laken, fühlte die eigene Kälte, obwohl es drückend und stickig in der

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