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Conviva Ludibundus

Conviva Ludibundus

Titel: Conviva Ludibundus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna und Günter Braun
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sie nie auf dem Chang, wo sie, wie sie erklärte, neue Eindrücke auf sich wirken lassen wollte und wo sie, wie ich befürchtete, die Augen vor der Natur verdrehte. Schließlich, dachte ich, verfallen auch die natürlichsten Frauen der Naturanbetung.
      Die Natur ist total nüchtern, sagte ich, und besonders nüchtern, wenn sie in bio-elektronischen Systemen auftritt. Mir graute davor, wie Friederike die Ludibundi malen würde. Und natürlich auch mich, wie einen fabelhaften Hexenmeister, der die Grüne Muschel im Verein mit dem Zaubersystem herbeizaubert.
      Das ist alles ganz nüchtern und im Grunde langweilig, sagte ich, zweckgebunden.
      Kutz widersprach. Es gibt in der Natur auch Luxusbildungen, die zu nichts zu gebrauchen sind, zum Beispiel verrückt verästelte Geweihe, mit denen die Hirsche überall hängenbleiben.
      Es steht zwar im naturwissenschaftlichen Lexikon, sagte ich, aber findest du diese Geweihe schön?
      Nein, sagte sie, ausgefallen, irr, merkwürdig. Oder diese unpraktischen Riesenschnäbel mancher Vögel, die sie sogar beim Fressen hindern.
      Jaja, sagte ich, da probiert die Natur viele mögliche Bildungen aus. Es werden alle morphologischen Sonderausprägungen durchgespielt, vielfältige physiologische Entwicklungstendenzen werden getestet. Ich bestreite nicht, daß es interessant ist. daß es mich faszinieren kann. Ästhetische Kategorien sind hier aber nicht anwendbar.
      Ich hatte selbst das Gefühl, knochentrocken zu sein. Ich konnte nun einmal Naturgewundere nicht ausstehen. Darum sprach ich auch übertrieben sachlich. Da ist nichts weiter, da gibt es nichts hineinzugeheimnissen, nichts zu mystifizieren. Beinah hätte ich gegen meine tiefere Überzeugung gesagt, es ist alles durchschaubar, belegbar, erklärbar.
      Kutz sagte, du lieferst mir selbst die Beweise. Eben: Alles wird durchprobiert, durchgespielt, alles verwandelt sich. Ob dabei Schönes oder Häßliches rauskommt, ist unwichtig, die Verwandlung ist die Hauptsache. Und weil der conviva ludibundus sich dauernd verwandelt, darum habe ich Lust, mit ihm zu spielen, ihn in vielen Variationen zu malen, ein Lied über ihn zu machen. Vielleicht läßt sich mit ihm noch viel mehr anfangen, vielleicht könnte er selbst Kunst produzieren, eben weil er ein großer Verwandler ist.
      Dies erschien mir nun als der irrste Einfall. Ein Lied, meinetwegen, wir sind die lustigen Ludibundi, holladihü, holladiho. Ich bin ludibundus compositus, weil ich mein Wasser halten muß, das würde sich in der Quallnik-Bar vielleicht gut verkaufen. Aber daß dieses bio-elektronische System selbst als Künstler auftreten sollte, hielt ich für blödsinnig.
      Das sind nur Ideen von mir, sagte die Kutz. Ich will ihm nicht befehlen, los, Ludi, mach jetzt Kunst. Ich lasse mir ja auch nicht sagen, los, Kutzenbacher, jetzt Kunst gemacht und pünktlich abgeliefert. Da würde ich ganz steif werden, da würde nichts kommen. Ich möchte einfach mit ihm ein bißchen spielen, er heißt doch Ludibundus, der Spielende.
      Spielen ist nicht gleich Spielen, sagte ich, es handelt sich hier um einen wissenschaftlichen Spielbegriff.
      Ich langte nach den gelblichen Stöpseln, die Doktor Klimm mir überlassen hatte, und stopfte mir die Ohren zu. Ich hörte trotzdem die Kutz reden, aber ich hörte nicht mehr hin. Schließlich sah ich auch nicht mehr, wie sie den Mund bewegte.

    22

    Bisher war ich trotz aller Einschränkungen und Unbequemlichkeiten auf dem Chang, die sich durch Mittelzwercks Aktivität ergaben, ruhig geblieben.
      Es hatte mich belustigt, wie gründlich der hoffnungsvolle junge Mann conviva ludibundus mißverstand. Er kann mit ihnen nicht umgehen, weil er nicht ihren wirklichen Charakter kennt. Daher kann er den Ludibundi auch nichts anhaben, hatte ich gedacht. Als ich bemerkte, daß er mit ihnen umging, als ob sie, wenn auch subordinierte, Menschen wären, Fleißstrebeaufstiegswesen, wurde ich immer heiterer und unbesorgter.
      Mittelzwerck hatte ja keine Ahnung, und mein Vergrabenes war keineswegs zum Wegwerfen verdammt. Nichts war umsonst gedacht, umsonst geschrieben.
      Mittelzwerck mochte allenfalls erkannt haben, daß diese zappelnden, den eßbaren bunten Gummitieren ähnlichen Wesen, durchsichtig und von vielerlei Gestalt, durch Fotosynthese Energie erzeugen, er mochte schlußfolgern, daß ihre bio-elektronische Struktur durch zufälliges InsWasser-Fallen von Materialien irgendeines Instituts entstanden sei, er mochte auch

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