Gestaendnis im Orchideengarten
1. KAPITEL
„Guten Tag, ist das hier das Büro von Sara Jane Fenchurch? Der Frau, die es soeben in die engere Wahl zur Unternehmerin des Jahres geschafft hat? Am Telefon wartet das Orchid Growers Monthly- Magazin, sie wollen unbedingt ein Exklusivinterview. Sind Sie das, Miss Fenchurch? Sehe ich da ein zufriedenes Grinsen auf Ihrem Gesicht?“
Sara lehnte sich in den alten Bürostuhl zurück, den sie neulich aus einem Abfallcontainer geangelt hatte, und ließ spielerisch einen Stift durch ihre Finger gleiten. Ihre beste Freundin Helen stöckelte auf gefährlich hohen Absätzen herein, wischte mit perfekt manikürten Händen den Staub von einem alten Esszimmerstuhl und ließ sich geziert auf der Kante nieder.
„Meinen Sie mich?“, fragte Sara mit gespieltem Erstaunen und legte affektiert ihre Hand auf die Brust. Dann klimperte sie dramatisch mit den langen Wimpern und sah auf den Zeitungsausschnitt an der Wand des kleinen Holzkabuffs, das ihr als Büro diente. Das Bild hatte ein Fotograf der Lokalpresse genau in dem Moment geschossen, als sie vom Vorsitzenden der Jury beglückwünscht wurde. Sie sah so erschrocken in die Kamera wie ein vom Scheinwerferlicht geblendetes Reh.
„Vielleicht hole ich dieses Jahr den Preis. Das wäre gut fürs Geschäft. Cottage Orchids könnte ein wenig Werbung gebrauchen.“
Helen schnaubte spöttisch und wischte eine Spinnwebe vom Rock ihres tadellos gepflegten bordeauxroten Kostüms. „Natürlich gewinnst du, und deine Orchideen werden weggehen wie warme Semmeln. Allerdings …“, mit strengem Blick musterte sie die Freundin, „… musst du mehr auf deinen Stil achten, wenn du die Jury überzeugen willst. Fangen wir doch gleich bei diesem komischen Kugelschreiber an.“
Sie versuchte, ihr den Stift aus der Hand zu nehmen, doch Sara war viel zu geschickt und hielt ihn nun außerhalb von Helens Reichweite in die Luft.
„Lass mir ja meinen Lieblingsstift.“
„Er ist giftgrün und hat eine Plastikblume als Aufsatz. Das wirkt nicht besonders professionell.“
„Er lag einer Bestellung von Orchideenerde als Werbegeschenk bei und schreibt wunderbar. Teure Füller sind was für verwöhnte Luxusgören. Ich muss jeden Penny umdrehen, um endlich mit dem Betrieb expandieren zu können.“
Seufzend schüttelte Helen den Kopf. Dann grinste sie Sara an und sagte mit gespielt hoher, übertrieben damenhafter Stimme: „Nein, dieser Mangel an Eleganz – es ist eine Schande!“
Sara prustete vor Lachen, steckte den Stift mit dem Blumenende nach vorn hinters Ohr und stemmte die Ellbogen auf den dicken Stapel Unterlagen, der auf dem alten Küchentisch, an dem sie arbeitete, lag. Die Rektorin der Schule, auf der sie und Helen sich kennengelernt hatten, war eine ehemalige Schauspielerin und liebte es, ihren Ermahnungen stets den nötigen dramatischen Akzent zu verleihen. Helen konnte sie hinreißend nachmachen.
„Immerhin hat ihr eine von uns beiden in der Hinsicht keine Schande gemacht.“ Lachend kniff Sara die Augen zusammen und fügte hinzu: „Du bist viel zu gut gelaunt für eine Frau, die eben ein Jahr älter wurde. Was führst du im Schilde? Lass mich raten: Du willst die Geburtstagsfeier hier in meinem idyllischen kleinen Heimatdorf abblasen und lieber mit deinem geliebten Caspar auf eine einsame Insel im Pazifik fliegen.“
„Spinnst du? Ich liebe dieses Fleckchen Erde, seit sich deine Großmutter während unserer Schulferien so liebevoll meiner erbarmte.“ Sie setzte einen unschuldigen Blick auf. „Nein. Es geht eher um dich.“
Grinsend ließ sie ihre teuer gepflegten, makellosen Zähne blitzen. „Es hat ein wenig Überzeugungsarbeit gebraucht, aber am Ende konnte Caspar seinen Kollegen Leo doch überreden, zu meiner Geburtstagsfeier zu kommen. Ist das nicht großartig?“
Sara schüttelte ganz langsam den Kopf. „Oh nein, das tust du mir nicht an. Nicht schon wieder. Nur weil ich keinen Freund habe, heißt das noch lange nicht, dass du mir jeden alleinstehenden, geschiedenen oder aus anderen Gründen freilaufenden Mann andrehen musst.“
Helen seufzte resigniert. „Er würde perfekt zu dir passen. Sieh es als kleines Dankeschön dafür, dass du uns das Hochzeitsbouquet gestaltest. Außerdem hat Caspar nicht viele Freunde, Leo Grainger wird also auch unser Trauzeuge sein. Komm schon. Ich finde die Vorstellung, dass ich heirate, während du noch nicht einmal einen Liebhaber hast, bestürzend. Vielleicht amüsiert ihr euch ja prächtig?“
Sara nahm einen Stapel
Weitere Kostenlose Bücher