Coolman und ich. Voll auf die zwölf (German Edition)
Stunde bis zum Beginn meines ersten und letzten Boxkampfes –, als ich auf dem Weg in die Umkleidekabine Anti begegne. Mit den anderen Mädchen ihrer Cheerleader-Gruppe hüpft sie auf dem Schulhof herum, um noch einmal ihren Auftritt zu üben. Als sie und ihre Kolleginnen mich sehen, fangen sie an zu kreischen.
Ich kümmere mich nicht um die anderen, sondern winke möglichst lässig Anti zu mir. Das ist gar nicht so einfach, weil ich die Plastiktüte mit Kauffmanns Bademantel und meinen Sportsachen zwischen den Boxhandschuhen festhalten muss.
Anti kommt zu mir herüber. Ich kann sehen, wie sehr sie die neidischen Blicke der anderen in ihrem Rücken genießt. Die hätten bestimmt auch alle gern einen Box-Star in der Familie.
»Alles klar, Bruderherz?«, begrüßt sie mich und gibt mir einen Kuss auf die Wange. »Die Mädels finden dich alle supersüß!«
»Ich brauche deine Hilfe!«, sage ich mit ernstem Gesicht.
»Alles, was du willst«, antwortet sie.
Ich beuge mich ganz nah zu ihr herüber, um ihr meinen Plan ins Ohr zu flüstern.
»Kein Problem«, erwidert Anti, als ich ihr alles erklärt habe. »Mache ich doch gern. Sieht Rocky Hagen gut aus?«
»Keine Ahnung, ich kenn den doch gar nicht. Das zwischen ihm und mir ist ja nichts Persönliches.«
Anti dreht sich um und läuft zurück zu den anderen Mädchen, die die ganze Zeit aufgeregt getuschelt und gekichert haben.
Als Anti sie erreicht hat, gehen die Cheerleader alle in Position und brüllen »Kai, Kai, Kai haut Rocky gleich zu Brei! Kai, Kai, Kai haut Rocky gleich zu Brei!«
Ich tue so, als hätte ich das nicht gehört, also COOLMAN und die Mädels. Ich marschiere einfach durch den Sportlereingang in die Halle und mache mich auf die Suche nach meiner Garderobe. Die ist ganz leicht zu finden, weil jemand mit rotem Filzer »Killer-Kai, der Bergschulen-Tiger« an die Tür geschrieben hat.
Drinnen wartet Kauffmann schon auf mich. Das tut er auch noch, als ich mich längst auf die Bank gesetzt habe. Fünf Minuten später hat er endlich bemerkt, dass ich da bin.
»Ich dachte schon, du kneifst«, begrüßt er mich.
»Tiger kneifen nicht«, erwidere ich trotzig und strecke ihm meine Arme entgegen.
Diesmal reagiert er schneller und schnappt sich eine Schere aus dem Verbandskasten. Damit schneidet er meine Jacke und meinen Pulli auf.
Mit der Hose werde ich selber fertig. Ich ziehe mir meine Trainingsshorts und meine Hallenschuhe an. Bei den Schnürsenkeln muss Kauffmann mir helfen, deswegen dauert das eine halbe Ewigkeit. Als es ihm gelungen ist, schlüpfe ich in den Bademantel, dessen Ärmel so weit sind, dass das problemlos auch mit den dicken Handschuhen geht.
Die Uhr in der Kabine zeigt 9:30 Uhr, und das heißt: Es bleiben nur noch dreißig Minuten bis zum Gong für die erste Runde. Aus der Kabine nebenan kommen seltsame Geräusche. Es klingt so, als würde sich dort ein Orang-Utan auf den Brustkorb trommeln, um irgendwelche Rivalen aus seinem Revier zu verjagen.
»Keine Sorge, das ist nur Rocky Hagen«, beruhigt mich Kauffmann. »Der macht sich heiß auf den Kampf.«
Ich finde, dass das sehr wohl ein Grund ist, sich Sorgen zu machen. Bisher hatte ich gehofft, dass ich gegen ein menschliches Wesen antrete und nicht gegen eine Kopie von King Kong.
Ehe ich beginnen kann, mir richtig Sorgen zu machen, weil jetzt auch Geschrei zu hören ist und dabei immer wieder mein Name fällt, geht die Tür auf. Es ist Lena.
»Kann ich mit Kai allein sprechen?«, sagt sie zu Kauffmann.
»Klar doch«, antwortet er, ohne sich zu rühren.
»Allein!«, wiederholt Lena.
»Kein Problem«, erwidert Kauffmann, macht aber immer noch keine Anstalten, für einen Moment zu verschwinden.
»Kai und ich. Nur wir zwei!« Lena zeigt erst auf mich, dann auf sich selbst. Danach deutet sie auf Kauffmann und gibt ihm pantomimisch zu verstehen, dass er uns bitte einen Augenblick alleine lassen soll.
Endlich versteht auch unser Sportlehrer, was sie von ihm will. Er murmelt »Ich wollte mir eh grad einen Kaffee holen« und verlässt die Kabine.
»Hast du mit Carl-Philipp Händchen gehalten?«, frage ich, weil ich COOLMANs Idee, ehrlich gesagt, ziemlich gut finde.
Lena seufzt genervt.
»Adolf Schmitz hat euch gesehen!«
Lena seufzt noch genervter.
»Du gibst es also zu!«, rufe ich triumphierend.
»Es war schon dunkel, und er hat Angst im Dunkeln. Da habe ich seine Hand genommen, damit er sich nicht so fürchtet«, erklärt Lena.
»Wirklich wahr?«
Lena nickt und sieht
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