Cora Historical Gold - 129 - Die Novizin
Whitmores Schwierigkeiten einer allzu irdischen Quelle entsprangen.
Jetzt blieb ihm nur noch Zeit zum Nachdenken. Und für Erinnerungen.
Und die kreisten vor allem um Eloise.
Wie ihr Haar in jener ersten Nacht am Lagerfeuer lichterloh zu brennen schien. Wie er sich ihr Haar in der Nacht, als ihre Freundin krank war, um die Hand gewickelt hatte. Wie sie ihn durch die langen Wimpern ansah … wie sie sich mit der Zunge über die Lippen fuhr, wenn sie nachdachte … wie ihr von der Sonne erwärmtes Gesicht duftete … wie ihre Küsse schmeckten, wenn sie sich ihm hingab. Er hatte sie bis zum Wahnsinn begehrt, selbst als er sie noch für eine Nonne hielt. Und für kurze Zeit – für eine allzu kurze Zeit – war sie die Seine geworden.
Was hatte sie noch über Wege gesagt? Menschen wurden vom Allmächtigen auf einen Weg gestellt und mussten lernen, ihn zu akzeptieren. Wenn das stimmte, was war dann sein Weg? Eine lebenslange Spur von Krieg und Kampf, die in einem dunklen Kerker endete? Tod durch den Mann, den er verachtete? War Gott rachsüchtig und unbarmherzig? Oder bediente sich Gott Claxtons als Werkzeug, um ihn für sein vergeudetes Leben zu strafen?
Und was war mit Eloise? Welche Rolle spielte ihr starker und vitaler Geist in seinem Leben? Was sollte er von ihrem leidenschaftlich liebenden Herzen und ihrer mutigen Liebeserklärung an ihn halten?
In tiefster Not rief er sich ihr Gesicht ins Gedächtnis, ihr Lächeln, ihre Entschlossenheit, die Mauern niederzureißen, die er um sich aufzubauen versucht hatte. Sie hatte Licht, Wärme und Hoffnung in sein Leben gebracht. Sie war, so wurde ihm schmerzlich bewusst, ein Gnadengeschenk. Ungesucht. Unverdient. Etwas Gutes, Liebendes … ihm geschenkt, um ihm einen neuen Weg aufzuzeigen … um die Hülle um sein im Kampf gehärtetes Herz aufzubrechen.
Er liebte sie. Von ganzem Herzen. Das war der Schmerz, den er in seiner Brust gespürt hatte, dieses Sehnen. Das war Liebe. Liebe zu ihr. Und sie würde es vielleicht nie erfahren.
Und so lag er nun in Claxtons Verlies, auf dem schmutzigen unebenen Boden, während der Sand durch das Stundenglas seines Lebens rann … Tränen traten ihm aus den Augen. Ein Schluchzen entrang sich seiner Kehle, und dann schlug er die Hände vor das Gesicht.
»O Gott!« betete er zum ersten Mal in seinem Leben, »bitte lass mich nicht sterben, ohne sie noch einmal gesehen zu haben.«
19. KAPITEL
Unbehelligt wanderten Eloise und Hildegarde auf dem Karrenpfad an dem Bach entlang, der an Claxtons Burgmauern vorbeifloss. Auf Claxtons Gebiet begegneten sie vor allem zerlumpten Gestalten und alten Frauen, von denen sie nichts zu befürchten hatten. Die Lederbeutel, die sie sich über die Schultern geschlungen hatten, erregten keinen Verdacht. Frauen schleppten ja bekanntlich immer irgendetwas mit sich herum. Eigentlich waren die Wachen auf den Zinnen der Burg auch zu sehr damit beschäftigt, nach einer Staubwolke Ausschau zu halten und auf Hufgeklapper zu lauschen oder darauf zu achten, ob im Licht der untergehenden Sonne vielleicht irgendwo Metall aufblitzte, also auf Anzeichen zu achten, ob ein bewaffneter Trupp anrückte.
Eloise und Hildegarde hielten den Blick gesenkt, wenn ihnen Arbeiter von den Feldern begegneten. Sobald sie die Rückseite der Burg erreichten, verließen sie den Pfad und nahmen eine Abkürzung über eine Weide zu einem Wäldchen, das in der gerodeten Fläche rund um die Burg stehen geblieben war. Zwischen den Bäumen hielt Hildegarde inne, sah zu den Mauern hoch und versuchte sich zu erinnern.
»Wisst Ihr noch, wo er ist?« fragte Eloise. »Was, wenn man ihn zugeschüttet hat?«
»Das glaube ich kaum«, sagte Hildegarde, die sich inzwischen die Bäume wieder so ins Gedächtnis gerufen hatte, wie sie vor über zwanzig Jahren ausgesehen hatten. »Jede Burg braucht einen Geheimgang.«
Gerade als Eloise sagen wollte, dass sie nirgendwo eine Öffnung erkennen könne, kniete Hildegarde nieder und strich mit der Hand über die Grashalme. Lächelnd richtete sie sich auf.
»Hier ist er! Fast völlig von Wurzeln und Unkraut überwuchert.« Ihr Lächeln wurde breiter. »In letzter Zeit hat ihn niemand benutzt. Vermutlich ahnt der Burgherr nichts von seiner Existenz.«
Eloise kniete neben ihr nieder und zog zwei lange Messer aus ihrem Lederränzel. Gemeinsam befreiten sie den Eingang von Unkraut, Wurzeln und Steinen. Mit klopfendem Herzen sah Eloise zur Burg hin und schätzte die Länge des Gangs, die sie würden zurücklegen
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