Cora Historical Gold 129 - Die Novizin
untergekommen waren.
»Ich glaube, dafür gibt es nur eine Erklärung: die Angst«, sagte Hildegarde nachdenklich. »Wenn Menschen schwierig, gierig, zornig, streitlustig oder auch einfach nur selbstsüchtig sind … dann steckt meistens Angst dahinter.«
Das fand Eloise überzeugend. »Heute Morgen, als ich ihnen helfen wollte, hörte ich sie immer wieder von ›dem Fluch‹ flüstern. Sie wollen unbedingt glauben, dass alles Schlechte, das auf Whitmore geschieht, die Folge einer Verwünschung ist, die vor zwanzig Jahren ausgesprochen wurde.«
»Und was glaubt Ihr selbst?«
»Ich?« Eloise schüttelte den Kopf. »Flüche mag es tatsächlich geben. Doch glaube ich, dass in diesem besonderen Fall viele Dinge dem ›Fluch‹ zugeschrieben werden, die durch natürliche Ursachen scheitern – wie zum Beispiel Misswirtschaft und schlichte Faulheit. Der Earl ist davon überzeugt, dass Claxtons Spießgesellen für viele Verluste auf Whitmore verantwortlich sind. Doch die Menschen hier scheinen sich mehr vor dem Fluch zu fürchten als vor einem Krieg mit einem Nachbarn.«
Hildegarde nickte und drückte Eloises Hand.
»Die Leute fürchten den bekannten Teufel immer weniger als den unbekannten«, sagte sie. »Sie fürchten, was sie nicht sehen können mehr als das Sichtbare … selbst wenn die größere Gefahr direkt vor ihrer Nase ist. So ist nun einmal die menschliche Natur.«
Und die männliche, dachte Eloise. Peril of Whitmore würde sich lieber von einem diebischen und nicht vertrauenswürdigen Verwalter ausplündern lassen, als ihrem Urteil und Wort zu vertrauen. Hieß das etwa, dass auch er Angst hatte? Wovor denn? Vor ihr etwa? Und was an ihr könnte denn dem »Sporn Northumbrias« Furcht einflößen?
Hildegarde sah, wie Eloise der Mut sank und sie sich auf einen großen Baumstumpf in der Nähe des Kräutergartens setzte.
Sie folgte ihrer Herrin. »Was habt Ihr denn?« fragte sie und setzte sich neben die junge Frau.
Eloise seufzte tief. »Ihr erinnert Euch an das, was Ihr mir gestern Abend über Hadric erzählt habt? Ich habe es dem Earl berichtet.«
»Doch er glaubte Euch nicht«, ergänzte Hildegarde.
Eloise nickte und sah zu den Ställen, wo der anschwellende Lärm von Menschen und Pferden andeutete, dass Peril mit seiner Patrouille zurück war. Ja, dort stand er, umringt von seinen Männern, die ihm offenbar Meldung machten.
Hildegarde setzte sich neben Eloise.
»Es ist schwer, sich mit einem anderen im selben Joch zu befinden, wenn man in entgegengesetzte Richtungen zieht«, bemerkte Hildegarde.
»Das klingt ja wie ein Sprichwort. Lasst nur den Earl nicht solche Sätze hören. Der hasst nämlich Redensarten.« Eloise wirkte so bedrückt, dass Hildegarde ihre Hand nahm.
»Nun, Euch hasst er wenigstens nicht.«
»Dessen bin ich mir gar nicht so sicher.«
»Nein?« Hildegarde lächelte wehmütig. »Nach nur einem einzigen Abend mit Euch beiden im Großen Saal ist es mir so klar wie venezianisches Glas. Er sieht Euch an wie ein Verhungernder ein Festbankett.«
Eloise blieb unbeeindruckt. »Ich sehe ihn immer nur mit umwölkter Stirn.«
»Nun, ich vermute, es freut ihn nicht sonderlich, dass er Euch mit jeder Faser seines Herzens begehrt, wenn er offenbar nicht einmal recht weiß, was er mit Euch anstellen soll.«
»Mit jeder Faser seines Herzens? Wenn das wahr wäre, dann würde er mich nicht so von oben herab behandeln.«
»Ihr denkt immer noch wie eine Nonne. Das kommt davon, wenn man jahrelang in einem Kloster hockt. Er ist ein Mann, Eloise, und Ihr seid eine schöne, leidenschaftliche junge Frau. Er begehrt Euch so sehr, dass es ihn förmlich zerreißt. Doch wahrscheinlich versteht er mehr von Hufeisen als von Frauen. Und wenn ich ehrlich sein soll, seid Ihr nicht die Art Braut, mit der man nach dem Motto ›schnell unter die Decke, dann weg in die Ecke‹ verfahren kann – wie er das vielleicht erwartete. Er weiß einfach nicht, wie er mit Euch umgehen soll, ohne seine mühsam erworbene Kontrolle aufzugeben.«
»Das klingt ja nicht gerade ermutigend«, sagte Eloise beklommen.
Hildegarde lächelte über diese Reaktion. »Wisst Ihr … Ihr und Seine Lordschaft seid gar nicht so verschieden. Ihr sehnt Euch beide nach mehr, habt aber solche Angst, etwas von Euch, das Euch wichtig erscheint, für den anderen aufzugeben. Ist es Euch denn nie in den Sinn gekommen, dass Ihr mehr gewinnen könnt, als Ihr aufgebt?«
Eloise wollte Einwände erheben, klappte den Mund aber wieder zu. Natürlich
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