Coretta & Martin Luther King - eBook - Vivian, O: Coretta & Martin Luther King - eBook
Frau Julie, machte sich Coretta an die Aufgabe, einen endgültigen Sarg für Martin auszuwählen. Coretta ließ die Leiche neu einkleiden. Ein Teenager aus der Ebenezer Gemeinde erwähnte später: „Pastor King hätte niemals andere Schuhe getragen als die, die er in diesem Sarg anhatte. Ich war so froh, als ich hinunterschaute und sah, was er an seinen Füßen hatte.“ Die Belafontes blieben in den zermürbenden Tagen nach Martins Tod bei Coretta und unterstützten sie.
Am 6. April saßen wieder Millionen Menschen vor dem Fernseher und schauten zu, wie Coretta ihr Haus verließ, um an einer Pressekonferenz teilzunehmen. Sie fand in der Ebenezer Baptist Church statt, in der Martin acht Jahre lang als Zweitpastor neben seinem Vater gearbeitet hatte.
Bei dieser Pressekonferenz gab Coretta ihre erste öffentliche Erklärung seit Martins Tod ab. Sie wandte sich an verunsicherte, wütende Afroamerikaner, die miterlebt hatten, wie ihre Anführer einer nach dem anderen umgebracht worden waren: Medgar Evers war 1965 in Jackson/Mississippi getötet worden. Malcolm X, der mit seinen großartigen Reden die Armen und Bedürftigen in den Slums und Ghettos erreicht hatte, war 1963 erschossen worden. Und jetzt war auch Martin Luther King, der größte afroamerikanische Führer, einem Attentat zum Opfer gefallen.
James Meredith, der erste Afroamerikaner, der sich an der University of Mississippi einschrieb, war angeschossen, aber nicht getötet worden. Er war in dasselbe Krankenhaus und in denselben Operationssaal gebracht worden, in dem man Martin Luther King für tot erklärte.
„Völkermord!“, war die Anklage. Man erzählt sich von zwei Jungen, die auf einer Bank im westlichen Teil von Chicago saßen. Sie kamen zu dem Schluss: „Wenn ein so guter Mensch wie Dr. King getötet wird, jemand, der so gewaltfrei gelebt hat, was für eine Chance haben wir dann noch?“ In verzweifelter Wut gingen sie los und schlugen Scheiben ein. Wie so viele Afroamerikaner dachten sie, es könne jetzt nur noch ums Überleben gehen.
Es gab einige, die King nicht folgten, ihm nie gefolgt waren, aber jetzt eine Gelegenheit für sich sahen, den Weißen zu sagen: „Es wird höchste Zeit, dass ich jetzt auch mal etwas bekomme, oder ihr werdet selbst nichts übrig haben.“ Manche trieben es so weit, dass sie Gegenstände aus Geschäften mit nach Hause nahmen. Das Erstaunliche ist nicht, dass in diesem Augenblick, als ein großer Führer ermordet wurde, einige Menschen ins Wanken gerieten, sondern dass sich ihre Wut gegen Dinge und nicht gegen Menschen richtete. Bis auf wenige Ausnahmen waren es nur Afroamerikaner, die in den so genannten Unruhen ums Leben kamen. Sie wurden von der Polizei oder der Nationalgarde getötet. Der Jugendliche, der bei den Ausschreitungen in Memphis um Leben kam, hatte sich der Polizei bereits ergeben, wie 15 Augenzeugen bestätigten.
Die Leiter der Bürgerrechtsbewegung hatten befürchtet, dass Kings Tod weitreichende Gewaltausbrüche nach sich ziehen würde. Viele von ihnen waren überrascht, dass nur so wenig Menschen gewalttätig wurden. Dies war ein Zeugnis dafür, dass Martin als großer Verfechter der Gewaltfreiheit seine Sache gut gemacht hatte.
Trotzdem gab es im ganzen Land sehr viele Unruhen, bei denen großer Sachschaden angerichtet wurde, und man zählte 43 Tote. Am schlimmsten betroffen war Washington, D.C. Dort kam es drei Tage lang zu Plünderungen und Brandstiftungen. Zehn der 43 Todesfälle ereigneten sich in Washington.
In den Nachrichten wurde vor allem die Gewaltbereitschaft von Stokely Carmichael, dem Vorsitzenden des Student Nonviolent Coordinating Committee ( SNCC ), hervorgehoben, und er wurde oft mit Martin verglichen. Aber es blieb unerwähnt, dass er ursprünglich ein Anhänger von Dr. King gewesen war. Er hatte es mit einem gewaltfreien Ansatz versucht, aber für ihn hatte die Bürgerrechtsbewegung nicht schnell genug zum Erfolg geführt. Stokely und andere, die wie er dachten, hatten zwar erlebt, dass die Rassentrennung an Schulen per Gesetz aufgehoben worden war, aber trotzdem gab es keine wirkliche Integration der Afroamerikaner. Es waren Gesetze verabschiedet worden, die allen Bürgern erlaubten, sich in die Wahllisten einzutragen, aber mit der Umsetzung haperte es. Deshalb wurde der Ruf laut, dass jedes mögliche Mittel recht sein müsse, um sich die Freiheit zu erkämpfen. Selbst an diesem Punkt war noch die Hoffnung vorhanden, dass es eine Freiheit für Afroamerikaner in Amerika
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