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Corina 01 - Dämonisch verführt

Corina 01 - Dämonisch verführt

Titel: Corina 01 - Dämonisch verführt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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ansatzweise verstehen. Im Gegensatz zu den feurigen Impressionen des Blitzes, der den Baum getroffen hatte, handelte es sich um Jahrhunderte der Liebe und des Hasses, des Triumphs und Verlusts, der erfüllten Träume und zerstörten Hoffnungen, vor allem aber des Gefühls, beraubt, verlassen und allein zu sein.
    Oder vielleicht waren das nur die Erinnerungen, die am meisten Sinn für mich ergaben und die mein Bewusstsein am leichtesten verarbeiten konnte. Der Energiesturm umtoste uns, doch ich sah ihn kaum mehr. Weitere Bilder flogen mir entgegen, die Szenen, die einst ein anderes Augenpaar gesehen hatte, und dann verlor sich die Welt in strahlender Helligkeit.
    Ein kleiner Junge mit goldenen Locken wankte auf unsicheren Beinen einer in bestickten Satin gekleideten Frau entgegen. Mit einem entzückten Lachen hob sie ihn hoch. »Mein kleiner Caesar. Eines Tages wirst du deinen Namensvetter übertreffen!« Andere Bilder in dem schnell fließenden Erinnerungsstrom zeigten, wie der Junge Tag für Tag nach dem Geräusch von Hufen auf dem Weg lauschte, nach dem Pochen, das ihren neuerlichen Besuch ankündigen würde. Doch die Mutter kam nie wieder, denn sie hatte vorsichtshalber seine Existenz vergessen. Weil er nie die Prophezeiung erfüllt, nie geherrscht hatte, dafür zum Gefangenen geworden war, auf Geheiß eines Bruders, den er gar nicht kannte.
    Eine neue Szene, zwei türkisfarbene Augen in der Dunkelheit, ein zischender Atemzug, der eine Lunge mit Luft füllte, die tagelang leer gewesen war. Eine elegante, bleiche Hand an seiner Stirn, warm auf seiner kalten Haut, sie strich ihm kastanienbraune Locken aus den Augen. Langsam ahnte er, wie es um ihn stand, und Fassungslosigkeit wich allmählich der Hoffnung, einen Platz zu finden und akzeptiert zu werden, im Tod zu bekommen, was ihm im Leben vorenthalten geblieben war. Doch er musste feststellen, dass sein neuer Vater ihn ebenso wenig wollte wie der alte. Über den ganzen Kontinent war er ihm gefolgt und hatte ihn mehrmals gefunden, aber jedesmal wurde er von ihm abgewiesen.
    Ich zuckte fort von Louis-Cesare und hoffte, dass die Unterbrechung des physischen Kontakts auch die Flut an Erinnerungen unterbrach. Aber das war nicht der Fall. Das Leuchten von Energie umgab noch immer den bleichen Körper, doch sie verschwand jetzt darin, wurde wieder ein Teil von ihm. Die Erinnerungen hingegen blieben. Sie sickerten mir durch die Haut, erfüllten mein Bewusstsein und senkten sich mit dem Gewicht von Jahrhunderten auf mich herab.
    Das Holz erbebte unter uns. Die Kraft, die in mich geströmt war, erschütterte auch den überlasteten Laufsteg.
    Schwindel erfasste mich, als wir zur Seite rutschten, der Höllengrube entgegen, in die sich die Weinkellerei verwandelt hatte. Ich konnte mich nicht rühren, konnte kaum atmen, während Louis-Cesares Erinnerungen mit meinen eigenen verschmolzen.
    Ein weiteres Jahrhundert, zwei nussbraune Augen, eine kurze, berauschende Affäre, doch dann wurde sie uns genommen. Wir folgten ihrer Spur durch die Straßen von Paris zu einer alten, halb vermoderten Tür, hinter der viel schlimmerer Moder wartete. Dort fanden wir Jonathan, der jahrhundertealte Schläue hinter einem jungenhaften Gesicht verbarg. Er verlängerte sein Leben, indem er die Ungeschützten suchte und ihnen ihre Kraft stahl. Christine hätte vor jemandem wie ihm geschützt sein sollen, von jenem, der sie zu lieben behauptete, doch er hatte zugelassen, dass dies geschah.
    Wir trafen die Übereinkunft und versprachen zurückzukehren, um ihretwillen zu einem Opfer zu werden. Wir brachten sie in Sicherheit und mussten erfahren, dass die Arzte sie nicht retten konnten, dass wir zu spät gekommen waren und erneut versagt hatten. Daraufhin die Entscheidung, sie zu verwandeln, um sie zu retten. Doch wir sahen ihr Entsetzen, als sie erwachte und begriff, was mit ihr geschehen war. Was wir waren. Sie nannte uns Ungeheuer, verdammt und verflucht. Und dann floh sie in die Nacht und ließ uns zurück.
    Louis-Cesare hielt mich fest, als ich taumelte und über den Rand zu fallen drohte. Seine eine Hand war um den letzten Stützbalken an der Wand geschlossen, die andere um meinen Unterarm. Aber die Anspannung in seinem Gesicht war unübersehbar. Er hatte zu viel Blut verloren und konnte mich nicht lange festhalten. Ich versuchte, an ihm hochzuklettern und den Balken selbst zu ergreifen, doch weitere Erinnerungen wogten heran.
    Die Rückkehr zu Jonathan fühlte sich fast richtig an. Vielleicht

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