Corum 01 - Der scharlachrote Prinz
Vadhagh-Burgen gestanden hatten, aber jetzt zeugten nur noch diese eigenartigen Felsen von ihnen. Der Gedanke überkam ihn, daß ihnen. Der Gedanke überkam ihn, daß diese Steine die sich der Natur angepaßten Überreste der Vadhagh-Burgen sein mochten, aber sein Verstand wies eine solche Möglichkeit weit von sich. Allein die Vorstellung schien ihm irreal.
Er lächelte über seine eigene Phantasie und lehnte sich behaglich gegen den Baum. In drei Tagen würde er Burg Crachah erreicht haben, wo seine Tante, die Prinzessin Lorim, zu Hause war. Er beobachtete müde, wie sein Pferd die Beine einknickte und sich im Schatten der Eiche zur Ruhe niederließ. Prinz Corum gähnte, hüllte sich in seinen scharlachroten Mantel, zog die Kapuze tief ins Gesicht und schlief ebenfalls.
DAS DRITTE KAPITEL
Die Mabden-Herde
Am späten Morgen des nächsten Tages weckten störende Geräusche den Prinzen: Geräusche, die nicht in den friedlichen Wald paßten. Auch sein Pferd hatte sie gehört, denn es hob die Nüstern und tänzelte unruhig auf einem Fleck.
Corum runzelte die Stirn und stand auf, um sich im Bach Gesicht und Hände zu waschen. Er blieb stehen und lauschte. Ein Rumpeln - ein Rattern - ein Klirren - ein Knarren. Er glaubte eine brüllende Stimme am Talende zu hören und, als er in diese Richtung blickte, auch etwas zu sehen.
Corum kehrte zur Eiche zurück, zog den Helm über den Kopf, schnallte sich das Schwert um und steckte die Streitaxt in den Gürtel. Dann sattelte er sein Pferd, das aus dem Bach trank.
Die Geräusche wurden lauter, und wie vorher das Tier, erfaßte nun auch ihn eine unbestimmte Unruhe. Er stieg in den Sattel, blieb jedoch beobachtend unter der Eiche.
Das Tal herauf zog eine Flut von Vieh und Fahrzeugen. Einige der Wesen waren in Eisen, Fell und Leder gekleidet. Corum nahm an, daß es sich um eine Mabden-Herde handelte. Aus dem wenigen, was er über die Gebräuche der Mabden gelesen hatte, wußte er, daß sie ein Nomadenleben führten, sich nie lange an einem Fleck aufhielten, ständig auf Suche nach Nahrung. Er war überrascht, wie sehr die Waffen und Rüstungen einiger der Mabden denen der Vadhagh glichen.
Der Zug kam näher. Immer noch verharrte Corum an derselben Stelle und beobachtete sie neugierig, wie er in seinem Wissensdrang alles studierte, was er noch nicht kannte.
Es war eine gewaltige Schar, die da heranzog. Sie hatte barbarisch geschmückte Streitwagen aus Holz und gehämmerter Bronze, von struppigen Pferden mit rot-, gelbund blaubemaltem Zaumzeug gezogen.
Den Streitwagen folgten Karren, manche offen, andere tuchbespannt. Vielleicht befanden darin sich die Weibchen, dachte Corum, denn nirgends waren weibliche Mabden zu sehen.
Er bemerkte, daß die Näherkommenden buschige schmutzige Bärte hatten und lange Schnurrbärte und daß ihr Haar in verfilzten Strähnen unter den Helmen hervorhing. Sie grölten sich gegenseitig zu, und die Weinsäcke wanderten von Mund zu Mund. Erstaunt erkannte Corum, daß sie die gemeinsame Sprache der Vadhagh und Nhadragh verwendeten, wenn auch in primitiverer Form und Aussprache. So hatten sie also tatsächlich das Reden erlernt.
Wieder überfiel ihn das unerklärliche Gefühl von Unruhe. Corum lenkte sein Pferd hinter eine dichte Baumgruppe und beobachtete den näher kommenden Trupp.
Nun verstand er auch, warum ihm so viele der Rüstungen und Waffen bekannt vorgekommen waren.
Weil es sich tatsächlich um Vadhagh-Rüstungen und -Waffen handelte.
Wieder runzelte Corum die Stirn. Hatten diese Mabden verlassene Vadhagh-Burgen geplündert? Oder waren es Geschenke? Oder hatten sie die Sachen gestohlen?
Die Mabden trugen auch Waffen und Rüstungen offensichtlich eigener Herstellung, plumpe Nachbildungen der exquisiten Vadhagh-Arbeiten. Einige Nhadragh-Waffen entdeckte er ebenfalls. Ein paar Mabden hatten sich in zweifellos gestohlene Samitund Leinenumhänge gehüllt, doch die meisten trugen Wolfspelzmäntel, Bärenfellkapuzen, Seehundbeinkleider und -wämser, Mützen aus Ziegenleder, Röcke aus Hasenfell, schweinslederne Stiefel und Hemden aus Wildleder oder Wolle. Manche hatten Schmuckketten aus Gold, Bronze oder Eisen um Hals, Arme und Beine und sogar in das filzige Haar geflochten.
Sie zogen nahe an Corum vorbei, und es fiel ihm schwer, einen Hustenanfall zu unterdrücken, als der Gestank, der sie wie eine Wolke umgab, bis zu ihm drang. Viele waren so betrunken, daß sie über die Seiten ihrer Streitwagen hingen und herausgefallen wären, wenn
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