Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Coruum Vol. 3

Coruum Vol. 3

Titel: Coruum Vol. 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael R. Baier
Vom Netzwerk:
sagte etwas, das Raoula nicht verstehen konnte. Dann strich sie dem Wolf über den Kopf und begann langsam die filigranen Stufen zum Altar hinaufzusteigen, der wie ein Geflecht aus unzähligen zu Ornamenten zusammengesetzten Doppelsicheln wirkte. Auf der letzten Stufe ließ sie langsam die Hand des Königs los, strich ihr Gewand glatt, warf die Kapuze zurück, entblößte dabei ihr kunstvoll mit Blutperlen und Mysalikfäden verflochtenes Haar und setzte sich auf die lederartige Oberfläche des Altars, welche im gleißenden Sonnenlicht wie kostbares, rotes Tuch flimmerte.
    Ramone wandte den Kopf zu ihr, blickte ihr über die fünfzig Meter Entfernung direkt in die Augen.
    Es ist gut, Liebes. Beginne den Transfer, hörte sie die Stimme der Urmutter in ihrem Kopf.
    Ramone legte sich langsam auf das Tuch, streckte die nackten Zehen, verschränkte die Finger beider Hände über ihrem Zepter und schloss die Augen.
    Raoula nickte ihrem Primus zu.
    »Beginne den Transfer!«
    Zeitgleich wuchsen mehrere Bögen aus den Altaroberflächen, überspannten den Gynoiden und Ramone an jeweils fünf Stellen und explodierten lautlos in intensive Lichtfächer, welche das Sonnenlicht bei weitem überstrahlten.
    Der König von Dominion und der Primus der Urmutter warteten regungslos, wie alle anderen Anwesenden in der Kapelle auch.
    Äußerst langsam begann sich das Podest erneut zu drehen. Diesmal vollführte es eine Einhundertachtzig-Grad-Drehung und wandte anschließend den Altar des Gynoiden der Sonne zu. So plötzlich wie der Transfer begonnen hatte, erlosch das Licht, die sichelförmigen Bögen senkten sich in die Oberflächen zurück.
    Raoula atmete langsam, ihre mandelförmigen Augen suchten nach Lebenszeichen des Gynoiden oder von Ramone.
    Es war eine neue, merkwürdige Situation. Wenn beide die Augen öffnen sollten – gäbe es erstmals in der Geschichte der Nebelwelten zwei Urmütter – ein unhaltbarer Zustand. Was hatte Ramone geplant?
    Ihre nächste Aufgabe als Ausführende des Rituals zumindest war definiert. Sie hob beide Arme, teilte ihr Benedictinen-Zepter und wandte sich den Verwalterinnen zu. Mit lauter Stimme rief sie:
    »Sehet! Ramone 1., reinkarniert 30.397, nimmt das Amt der Urmutter der Nebelwelten erneut in Besitz.«
    Dies wiederholte sie, den Lehnsrittern zugewandt. Nachdem das Donnern ihrer Stimme in der Kapelle verhallt war, wartete Raoula einen Moment, in dem sie die immer noch reglose Ramone und ihren Gynoiden nachdenklich betrachtete.
    »Erhebe dich, Mutter, in unserer Mitte!«, sagte sie leise, sich selbst im Unklaren darüber, an wen sie diese Worte gerichtet hatte.

 
Roter Nebel, Innocentia II, Planet der Urmutter
30397/2/6 SGC
27. November 2014
     
     
Ramone
     
    Ein angstvoller Gedankenimpuls ließ die Anwesenden in ihrer Nähe zusammenzucken.
    Es ist geglückt, Mutter, vernahm sie ihren Primus, spürte seine körperlichen Schmerzen durch ihren unkontrollierten Ausbruch.
    Sie gestattete sich einen entspannenden Atemzug – ihr Körper reagierte nicht.
    Ramone öffnete erschreckt ihre Augen, grelle Sonne blendete sie für einen kurzen Moment, bis ihre Sensoren sich angepasst hatten.
    Ich werde nicht mehr ahnen müssen, beruhigte sie sich selbst – nie wieder.
    Die Spitzen der auslaufenden Pfeiler hoch über ihr vereinigten sich zu einer Krone. Ihr Blick erfasste jedes Detail, ihre Ohren vernahmen das stoßhafte Atmen der aufgeregten Novizin am Fuße des Altars, der unerwartet ein neues Leben geschenkt worden war.
    Die künstliche, hautimitierende Beschichtung ihrer Fingerspitzen strich behutsam über den warmen, ledernen Bezug der Altaroberfläche, sie fühlte!
    Ramone richtete sich auf, spürte ihr offenes Haar auf den nackten Schultern, weich streichelnd.
    » Willkommen, Mutter «, dröhnte die verstärkte Stimme ihrer Benedictine durch die Kapelle.
    Ihr Blick fuhr zur Kanzel, traf den von Raoula, spürte die einsetzende Wirkung ihres Papits. Ramone lächelte sie an. Danke, Liebes.
    Frere sah sie an, hin und her gerissen zwischen purer Begeisterung über den gelungenen Transfer und ihre neue unbeschreibliche Schönheit und der Abstoßung über ihren künstlichen Körper und die Möglichkeiten, die er ihr offenbarte.
    Sie drehte sich auf dem Altar, setzte ihre Fußspitzen tastend auf den Boden. Dann stand sie das erste Mal, tat langsam die ersten Schritte die Stufen des Altars hinunter, erlaubte mit einem Kopfnicken der Novizin, ihr ein weißes Gewand umzulegen.
    Sie hatte eine Aufgabe.
    Langsam

Weitere Kostenlose Bücher