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Coruum Vol. 3

Coruum Vol. 3

Titel: Coruum Vol. 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael R. Baier
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die Königskrone war, als dunkelrotes Abzeichen auf der Brust und als Mysalik-Reif auf der Stirn.
    Sein Kopf war nicht geneigt, seine Augen nicht geschlossen. Sein Blick traf sie – auf der Kanzel gegenüber stehend – verharrte sekundenlang auf ihr, einen undefinierbaren Eindruck von Stärke und gleichzeitiger Unsicherheit in ihrem Geist zurücklassend.
    Frere Metcalfe, der von Torkrage Treerose enttäuschte König von Dominion, wäre ein potentieller Verbündeter, erkannte sie in diesem Moment. Wie immer der Zauber ausgesehen haben mochte, der ihn in die Nähe von Ramone getrieben hatte, nun drohte er zu verfliegen. Die Konsequenzen seines Abfallens von den Königreichen und die Pläne der Urmutter vermochten ihn vielleicht noch eine kurze Zeit unschlüssig bleiben zu lassen, doch würden seine Zweifel und die seiner Offiziere weiter wachsen und ihn schließlich zu einer Gefahr für Ramone selbst werden lassen.
    Beginne, Liebes!
    Raoula zuckte unmerklich zusammen.
    Als Benedictine würde sie von einer kleinen Kanzel vom Rand der Apsis das Reinkarnations-Ritual leiten. Sie würde für die Dauer des Übergangs sogar das Oberhaupt der Nebelwelten sein – für wenige Minuten – bis der Geist Ramones im neuen Körper der Novizin wiedererwachte und das Amt auf sie zurückfallen würde.
    Der Primus der Urmutter und ihre Garde würden diesen Moment bewachen und sicherstellen, dass nichts eintrat, was den Ablauf der Zeremonie gefährden könnte.
    Sie drehte sich ein wenig nach hinten und sah in die Augen ihres zwei Schritt hinter ihr stehenden Primus.
    »Bringe die Novizin!«, sagte sie leise, und hörte gleichzeitig ihre verstärkte Stimme durch die Kapelle donnern.
    Er nickte und betätigte Kontrollen auf einem virtuellen Display. Geräuschlos öffnete sich eine kreisförmige Blende in der Mitte des Podests vor Ramone und ein mehr als drei Meter langer, reich verzierter Altar wurde aus dem Boden gehoben.
    Alle Blicke hingen an dem strahlend weißen Tuch, das die Novizin verhüllte, deren Körper in wenigen Augenblicken vom Geist Ramones erfüllt werden sollte.
    Wo war die sterile Umgebung?
    Die Art, wie ihr Primus hinter ihr die Luft ausstieß, nahm Raoula als Bestätigung, dass dieses Mal etwas anders war als sonst bei einem typischen Reinkarnationsritual.
    Zischend öffnete sich auf der gegenüberliegenden Seite der Kapelle ein hohes Wandsegment der Apsis und tauchte den Altar und Ramone schlagartig in grelles Sonnenlicht. Eine Böe erfasste das weiße Tuch über der Novizin, wehte es hinunter auf den reich gravierten Boden des Podests zu den nackten Füßen der Urmutter.
    Raoula schwindelte – was geschah hier?
    Ihr Geist erfasste unmittelbar, dass diese Frau auf dem Altar keine Novizin war – es war nicht einmal menschlich – doch was war es?
    Ramone ließ ihren Blick lange darauf ruhen, rührte sich nicht, überprüfte zum letzten Mal jedes Detail.
    Fürchte dich nicht, Liebes – ich bin es, spürte Raoula schließlich die Stimme der Urmutter, fahre fort!
    Sie war nicht die Einzige, der diese Abweichung vom normalen Ritual aufgefallen war. Der König von Dominion war schlagartig einen Schritt näher getreten, zögerte dann, weiterzugehen. Raoula sah die Sorgenfalten auf seiner Stirn.
    Ramone hatte sich ihm zugewandt, lächelte ihn an, streckte ihre rechte Hand zu ihm aus.
    »Ein Gynoid, Mutter – sie wird nur ihre Gehirnmuster-ID übertragen«, raunte ihr Primus nahezu unhörbar.
    Sie nickte wie in Trance, verstand mit einem Mal den genialen Plan der Urmutter, die verborgenen Hinweise in ihrem letzten Gespräch – die Brillanz ihres Vorgehens, verstand, wie sie für mehr als eintausenddreihundert Jahre an der Spitze der Kirche hatte überleben können. Nach dieser Reinkarnation würde sie wahrhaftig unsterblich sein.
    »Die Ruhestätte der Urmutter, Ramones 1.«, sprach sie förmlich, innerlich bis zum Äußersten angespannt, was nun passieren würde.
    Hinter der Urmutter, zwischen ihr und der ersten Reihe der Verwalterinnen, erhob sich ein zweiter, leerer, Altar aus dem Boden des Podests. Sehnsüchtig wandte Ramone sich diesem zu, den König von Dominion zärtlich an ihre Seite ziehend.
    Langsam rotierten die zwei Altare neunzig Grad um einen gemeinsamen Mittelpunkt, auf dem die Urmutter und Metcalfe sowie ihr Primus standen, bis beide Altare nebeneinander von den versammelten Ehrenformationen aus den Längsschiffen zu sehen waren.
    Ramone zog den König zu sich hinab, küsste ihn sanft auf die Lippen,

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