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Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Titel: Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil , Florian Tietgen
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die Nähe seines Gesichts an meinem, die Wärme seines Atems. Mir war, als weinte ich. Zwar liefen mir keine Tränen das Gesicht hinab, aber die Anspannung löste sich, die Gedanken entwichen, die Angst zerfloss. Fast, als könnte Darius meinen Tag nicht nur in der Berührung hören, sondern mir dessen Härte nehmen. Er sagte nichts, hielt mich fest, bis das Wasser kochte. Erst, als er den Kessel vom Herd genommen und den Tee aufgebrüht hatte, stellte er fest: »Du bist ganz schön kalt.«
          Ich holte Tassen aus dem Schrank, ging damit zum Tisch und setzte mich auf das Sofa.
          »Ich bin gerannt. Da gerät man ins Schwitzen, damit die Haut kühl bleibt.«
          Darius schenkte Tee ein, nahm einen Schluck. »Ich dachte, du willst Kunst studieren, nicht Medizin.«
          »Kunst ist das Studium des Halbwissens. Da sie der Spiegel der Welt ist, muss sie von allem etwas ahnen.« Ich nahm auch einen Schluck, überlegte lächelnd, ob ich mich an Darius anlehnen konnte.
          »Der Zusammenhang zwischen einem Bühnenbild und menschlicher Anatomie würde mich allerdings interessieren.« Darius lächelte auch. Fritz und der sich rhythmisch bewegende Unterleib meines Chefs waren aus meinem Kopf verschwunden. Alles Trennende hatte sich in Luft aufgelöst. Wir konnten einfach Blödsinn reden und uns wohl dabei fühlen. So, als gäbe es keine Probleme, keine Gesetze, keine Vermieter, Arbeitgeber und keine Polizei, keine Vergangenheit, keine Zukunft, sondern nur uns und Gegenwart.
          »Ich könnte zum Beispiel ein Bühnenbild bauen, in dem die Schauspieler wie Faultiere hängen müssten. Oder eines, bei dem das Publikum nur die Rückwände der Kulissen sieht? Das Leben von hinten sozusagen, unsichtbar, denn die Schauspieler agieren trotzdem im Bühnenbild, nicht dahinter.«
          Darius lachte. »Du kennst also auch keinen Zusammenhang.«
          »Natürlich kenne ich einen. Das Leben ist immer Zusammenhang.«
          Darius lachte noch mehr, trank einen Schluck und ich lachte mit ihm und prustete ihm dabei den Tee über den Bademantel.
          Wir zogen uns aus, löschten das Licht und gingen ins Bett, ohne miteinander zu schlafen. Das war das Besondere dieser Nacht. Wir hatten keinen Sex. Wir waren nackt. Ich spürte Darius’ Erektion, als er mich von hinten im Arm hielt und mir den Bauch streichelte. Aber er rieb sie nicht an mir und irgendwann schlaffte sie ab.
          Ich wartete, ob er etwas über meinen Tag sagte, aber er schwieg und streichelte mich, bis ich darüber langsam in die stille Dunkelheit traumlosen Schlafs glitt.
          
          Früh am Morgen, vielleicht nach vier oder fünf Stunden Schlaf, wachte ich auf, weil der Wecker klingelte.
          Wir lagen noch, wie wir eingeschlafen waren. Darius hinter mir, ich in seinen Armen. Der Wecker klingelte unentwegt. Ich befreite mich, stellte ihn ab und gab Darius einen Kuss. Der Zeiger stand auf 5:30 Uhr.
          »Bleib ruhig liegen. Ich muss zur Arbeit.« Darius gähnte, doch er bewegte sich nicht. Ich ging in die Kochecke, kniete mich vor den Kohleherd, reinigte ihn grob, bevor ich neues Feuer darin entfachte und den Wasserkessel darauf stellte.
          Über Nacht war alle Glut im Ofen erloschen, der Winter war durch die Fenster gedrungen und an den Scheiben blühten Eisblumen. Es war zu kalt, nackt durch die Wohnung zu laufen.
          Darius drehte sich. »Du kannst wirklich liegen bleiben.«
          »Ich bin doch schon auf.« Ich setzte mich mit meiner Kleidung aufs Bett, zog mich an. Am liebsten hätte ich auch den Dufflecoat angezogen, so sehr fror ich. »Was sollen deine Nachbarn denken, wenn mitten am Tag ein wildfremder Mann aus deiner Wohnung kommt, während du arbeitest?« Das Wasser kochte. Also ging ich wieder zur Kochecke, setzte den Kaffee auf und suchte die Dinge fürs Frühstück zusammen. »Kannst du so früh am Morgen überhaupt schon essen?«
          »Was sollen die Nachbarn denken, wenn ich am frühen Morgen mit einem fremden Mann durchs Treppenhaus laufe wie ein Ehepaar?« Er stand auf, ging ins Bad. Die Tür ließ er offen. Ich hörte Wasser laufen und meinen Freund über die Kälte fluchen. Als er zurückkam, hatte er Gänsehaut und ich den Tisch gedeckt. »Eigentlich kann ich so früh nichts essen«, sagte er. »Aber ich esse trotzdem immer etwas.«
          »So früh sind die Nachbarn an einem Samstagmorgen bestimmt noch im Bett.«
          Schweigend

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