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Corvidæ

Corvidæ

Titel: Corvidæ Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil
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Kapitel 18

    „ M aya ist tot“, sagte Jacques und rieb sich die Schläfe. Dann blieb er stehen und sah mich an. „Oder nicht? In meinem Kopf wirbelt alles durcheinander.“
    „Erinnerst du dich an die Zeit, bevor du im Dorf gelebt hast? An diesen Wald?“ Ich deutete auf die alten Bäume um uns herum.
    „Ich glaube mich zu erinnern. Aber ist das die Wahrheit?“ Er presste seine Fäuste auf die Augen. „Wie kann ich in Etiennes Stall die Pferde gestriegelt haben, während ich hinter die ser Buche “ , e r schlug gegen den Stamm des Baumes neben uns, „ mit Vorak Wurfzabel spielte?“
    „Jacques, du bist gerade dabei dich zu erinnern. Es ist sicher schwer und verwirrend für dich, diese Bruchstücke zuzuordnen.“ Ich strich ihm über den Arm und bemerkte, wie Rokan, der ohne uns weiter gegangen war, aus meinem Blickfeld verschwand. „Ich bin sicher, dass sich alles klärt, wenn deine Erinnerungen erst vollständig sind. Wenn du möchtest, können wir später darüber reden, aber jetzt sollten wir Rokan folgen.“
    Ich zog den Jungen hinter mir her und wir liefen zu der Stelle, an der ich Rokan aus den Augen verloren hatte. Mein Herz schlug schnell, ich hatte plötzlich schreckliche Angst, dass er verschwunden sein könnte und wir hier in diesem Wald voller Baumgeister, und wer weiß was noch für merkwürdigen Kreaturen, alleine herumirrten.
    Doch Rokan hockte genau dort, wo ich ihn zuletzt gesehen hatte , auf dem Boden, die Arme um die Knie geschlungen, und starrte in den Wald.
    „Wir sind da“, flüsterte er ohne sich zu uns umzudrehen.
    Ich folgte seinem Blick und erkannte nur Bäume, Sträucher, Büsche. „Wo?“, fragte ich. „Wo sind wir?“
    „Große Mutter Eiche, schenk ihr ein Samenkorn und wässre es, somit ihre Synapsen Wurzeln schlagen!“ Mit einem Ächzen zwängte sich Vorak Tyr Hjálmarr der Dritte durch einige verzweigte Gewächse , blieb kopfschüttelnd vor mir stehen und stemmte die Hände in die Hüften. Dann wandte er sich zu Rokan. „Es scheint, auch ihre Sehnerven haben sich gelockert.“ Er rollte mit den Augen. „Plemplemblind“, fügte er hinzu, als Rokan nicht antwortete.
    Mit einer ausholenden Bewegung drehte er sich im Kreis und über meinem Kopf raschelten die Blätter.
    „Oh Schönste“, sagte er, als er vor mir stehen blieb, und gab seiner Stimme wieder diesen Tonfall, den man Schwachsinnigen gegenüber anwendet. „Seht-Euch-um-wer-se-hen-will-der-wird-auch-sehen.“
    Ich schnaubte. Es war mir egal, ob dieser Zwerg e i n Baumgeist war oder sonst etwas. Er war unverschämt. „Hör mal, du Wicht “ , i ch tippte ihm mit dem Finger in die Brust, „w enn du nicht als Katzenfutter enden möchtest, dann pass auf, was du sagst.“
    Vorak riss die Augen auf und lachte schallend. „Gütige Mutter Eiche, ich danke dir! Ich bin wahrlich das Größte unter deinen Kindern. Ich habe ihre losen Enden verknotet und sie spricht.“
    „Du bist sicherlich das jenige ihrer Kind er, das mit dem größten Mundwerk gesegnet ist , Vorak.“ Rokan war aufgestanden und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter.
    Warum ließ er sich die Unverschämtheiten dieses Zwerges bieten? Ich verschränkte die Arme vor der Brust und starrte beleidigt auf den Boden vor meinen Füßen.
    „Sieh genau hin, Cat.“ Ich spürte Jacques Hand an meinem Arm. „Lass dich nicht durch das täuschen, was du zu sehen erwartest.“ Ich folgte seinem Fingerzeig und sah immer noch, Bäume, Sträucher, Büsche und schüttelte den Kopf. „Nicht denken!“ Er kratzte sich am Kinn . „Versuch nicht mit den Augen zu sehen, verstehst du? Spüre den Wind auf deinen Wangen, hör das Gleiten des Bussards über den Baumkron en, rieche die Pfifferlinge hint er den Holunderbüschen und fühle deinen Herzschlag, der ein Teil des Ganzen ist.“
    Ich schloss die Augen und versuchte Voraks Anwesenheit auszublenden. Konzentrierte mich auf meinen Herzschlag und meine Empfindungen und dann fühlte ich mich frei. Als wäre ich mit allem Leben um mich herum verbunden. Ein Kreislauf aus Geben und Nehmen. Und als ich die Augen öffnete, da sah ich es.
    Zwischen den Bäumen standen Weidenhäuser. Die Äste der Büsche bilde ten Wände und Dächer, die zusätzlich von großen Blättern gegen den Regen geschützt wurden. Die Behausungen fügten sich so in den Wald ein, dass es schien, als seien sie natürlich dort gewachsen. Und wahrscheinlich waren sie das sogar. S ie gruppierten sich spiralförmig um eine Quelle, die im

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