Cosmopolis
brandete wieder auf, in ritualistischen Zyklen. Dann schoss das Taxi diagonal über die Kreuzung, bis zu einem Punkt knapp westlich der Second Avenue, wo der nächste Stau wartete, Torval joggend und schwitzend immer hinterdrein.
»Wo ist dein Auto?«
»Anscheinend können wir es nicht finden«, sagte sie.
»Ich würde dich ja mitnehmen.«
»Kann ich nicht. Auf keinen Fall. Ich weiß, dass du unterwegs arbeitest. Und ich mag Taxis. Ich war in Erdkunde nie gut, und ich lerne viel dazu, wenn ich die Fahrer frage, wo sie herkommen.«
»Sie kommen aus Horror und Verzweiflung.«
»Ja, genau. Man lernt etwas über die Länder, wo Unruhen sind, indem man hier mit dem Taxi fährt.«
»Ich hab dich schon eine Zeit lang nicht mehr gesehen. Ich hab dich heute Morgen gesucht.«
Er nahm effektheischend seine Sonnenbrille ab. Sie starrte ihm ins Gesicht. Gerader Blick, konzentrierte Aufmerksamkeit.
»Deine Augen sind blau«, sagte sie.
Er hob ihre Hand zu seinem Gesicht, roch und leckte daran. Dem Sikh am Steuer fehlte ein Finger. Eric betrachtete den Stummel, beeindruckend, eine ernste Sache, ein körperlicher Schaden, der Geschichte und Schmerz in sich trug.
»Schon gefrühstückt?«
»Nein«, sagte sie.
»Gut. Ich habe Hunger auf etwas Dickes, Kerniges.«
»Du hast mir nie gesagt, dass du blaue Augen hast.«
Er hörte das statische Knistern in ihrem Lachen. Er biss ihr in den Daumenknöchel und öffnete die Tür, und sie gingen über den Bürgersteig in das Cafe an der Ecke.
Er saß mit dem Rücken zur Wand und beobachtete, wie Torval sich an der Eingangstür aufbaute, wo er einen guten Überblick hatte. Es war voll. Er hörte vereinzelte Worte auf Französisch und Somali, die durch die Lärmkulisse sickerten. So war das an diesem Ende der 47. Straße. Dunkle Frauen in elfenbeinfarbenen Kleidern gingen im Flusswind auf das Sekretariat der UNO zu. Wohntürme hießen L’Ecole und Octavia. Irische Kindermädchen schoben Kinderwagen durch die Parks. Und Elise natürlich, Schweizerin oder so was, saß ihm gegenüber am Tisch.
»Worüber sollen wir reden?«, fragte sie.
Er saß vor einem Teller voller Pfannkuchen und Würste und wartete darauf, dass der kleine Butterquader schmolz und verlief, damit er ihn mit der Gabel in den zähen Sirup einwirbeln und dann zuschauen konnte, wie die Zinkenspuren langsam in der Soße versanken. Er begriff, dass Elise ihre Frage ernst gemeint hatte.
»Wir brauchen einen Heliport auf dem Dach. Ich habe mich um die Luftrechte gekümmert, brauche aber noch eine Flächennutzungsumwidmung. Willst du nichts essen?«
Es schien sie abzuschrecken, das Essen. Grüner Tee und Toast unberührt vor ihr.
»Und einen Schießstand neben dem Fahrstuhl. Reden wir von uns.«
»Du und ich. Wir sind hier. Ja, warum nicht.«
»Wann schlafen wir wieder miteinander?«
»Machen wir. Versprochen«, sagte sie.
»Haben wir nämlich schon seit einiger Zeit nicht mehr.«
»Wenn ich arbeite, weißt du. Die Energie ist kostbar.«
»Wenn du schreibst.«
»Ja.«
»Wo machst du das? Ich suche dich, Elise.«
Er beobachtete Torval, der in zehn Metern Entfernung die Lippen bewegte. Er sprach in sein Revers hinein, in ein verborgenes Mikro. Er trug einen Ohrknopf. Das Handy selbst saß festgegürtet unter seinem Jackett, nicht weit von seiner stimmaktivierbaren tschechischen Handfeuerwaffe, noch so ein Emblem für das internationale Gepräge des Viertels.
»Ich rolle mich irgendwo zusammen. So habe ich es immer gemacht. Meine Mutter hat früher immer Leute losgeschickt, um mich zu finden«, sagte sie. »Mädchen und Gärtner, die Haus und Grund abgesucht haben. Sie glaubte, ich wäre wasserlöslich.«
»Ich mag deine Mutter. Du hast die Brüste deiner Mutter.«
»Ihre Brüste.«
»Tolle Stehtitten«, sagte er.
Er aß schnell, inhalierte sein Essen. Dann aß er ihrs. Er glaubte zu spüren, wie die Glukose in seine Zellen drang und die anderen Bedürfnisse seines Körpers anfeuerte. Er nickte dem Cafebesitzer zu, einem Griechen aus Samos, der von der Theke her winkte. Er kam gern hierher, weil Torval dagegen war.
»Sag mir eins. Wohin fährst du jetzt?«, sagte sie. »Zu einem Termin irgendwo? In dein Büro? Wo ist dein Büro? Was genau machst du?«
Sie linste ihn über die Brücke ihrer aufgestützten Hände hinweg an, ihr Lächeln im Versteck.
»Du weißt Dinge. Ich glaube, das ist es, was du machst«, sagte sie. »Ich glaube, du widmest dich dem Wissen. Ich glaube, du erwirbst Informationen und
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