Cotton Malone 04 - Antarctica
ließ sie in seine Manteltasche gleiten, trat zur Tür und wartete darauf, dass die Stütze näher kam. Die Gondel bewegte sich im Schneckentempo, aber trotzdem würde der Sprung riskant sein. Tempo und Entfernung abschätzend, sprang er zu einer der stählernen Querstreben, wo er mit seinen behandschuhten Händen Halt suchte.
Unsanft krachte er gegen das Gestell und dämpfte den Aufprall mit seinem Ledermantel.
Zwischen seinen Fingern und der Strebe knirschte Schnee.
Er klammerte sich daran fest.
Die Gondel setzte ihre Abwärtsfahrt fort und blieb etwa dreißig Meter weiter unten stehen. Malone schnappte ein paar Mal nach Luft und hangelte sich dann auf eine Leiter zu, die an der Hauptstütze nach unten führte. Trockener Schnee rieselte herab wie Talkumpuder. Bei der Leiter angekommen, stellte er seine Gummisohlen auf eine schneebedeckte Sprosse. Er sah, wie die beiden Männer in den dunklen Mänteln unten bei der Station eilig wegrannten. Sie bedeuteten Ärger, genau wie er vermutet hatte.
Er stieg die Leiter hinunter und sprang auf den Boden.
Jetzt befand er sich in gut hundertfünfzig Meter Höhe auf dem bewaldeten Hang.
Er stapfte zwischen den Bäumen hindurch und stieß auf eine asphaltierte Straße, die den Hang entlangführte. Vor ihm erhob sich ein von schneebedeckten Büschen umsäumtes, mit braunen Schindeln gedecktes Gebäude. Irgendein Arbeitsgebäude. Dahinter führte die von Schnee geräumte Straße weiter. Er ging zum Tor, das auf das umzäunte Gelände führte. Ein Vorhängeschloss verschloss den Eingang. Plötzlich hörte er einen Motor, der die Straße heraufdröhnte, zog sich hinter einen abgestellten Traktor zurück und beobachtete, wie ein dunkler Peugeot um die Kurve kam und langsamer wurde, um das Gelände rings um das Gebäude zu inspizieren.
Die Waffe in der Hand, wartete Malone kampfbereit ab.
Doch der Wagen beschleunigte wieder und fuhr bergauf weiter.
Malone sah das schwarze Band eines weiteren schmalen Sträßchens, das durch den Wald zur Seilbahnstation hinunterführte.
Er eilte darauf zu.
Hoch oben stand die Gondel noch immer still. In der Kabine lag eine bewusstlose Frau in einem blauen Mantel. Ein toter Mann, der einen roten Mantel trug, lag irgendwo im Schnee.
Beides ging ihn nichts an.
Und was war dann sein Problem?
Nun, die Frage, wer über Stephanie Nelles und seine Angelegenheiten Bescheid wusste.
4
Atlanta, Georgia
07.45 Uhr
Stephanie Nelle sah auf die Uhr. Sie hatte seit kurz vor sieben in ihrem Büro gearbeitet und war Berichte ihrer Agenten durchgegangen. Von ihren zwölf juristisch geschulten Agenten waren derzeit acht im Einsatz. Zwei hielten sich in Belgien auf, als Teil eines internationalen Teams, das mit der Überführung von Kriegsverbrechern betraut war. Zwei weitere waren gerade mit einer Mission, die heikel werden konnte, in Saudi-Arabien eingetroffen. Die restlichen vier waren an verschiedenen Orten Europas und Asiens im Einsatz.
Eine ihrer Agentinnen befand sich jedoch im Urlaub.
In Deutschland.
Das Magellan Billet beschränkte sich absichtlich auf wenige Mitarbeiter. Neben dem einen Dutzend Juristen-Agenten beschäftigte die Einheit fünf Verwaltungsassistenten und drei Berater. Stephanie hatte darauf bestanden, dass ihre Mannschaft klein blieb. Je weniger Augen und Ohren, desto weniger undichte Stellen, und in den vierzehn Jahren der Existenz des Billets war es nie gefährdet worden.
Sie wandte sich von ihrem Computer ab und schob ihren Stuhl zurück.
Ihr Büro war schlicht und funktional eingerichtet. Nichts fiel aus dem Rahmen – das wäre nicht ihr Stil gewesen. Sie war hungrig, da sie zu Hause nach dem Aufwachen vor zwei Stunden das Frühstück übergangen hatte. Anscheinend verschwendete sie immer weniger Gedanken auf das Essen. Zum Teil wohl, weil sie allein lebte, und zum Teil auch, weil sie nicht gerne kochte. Sie beschloss, sich einen Happen in der Cafeteria zu besorgen. Natürlich war das Kantinenfraß, aber ihr knurrender Magen wollte gefüllt werden. Vielleicht würde sie sich zu Mittag ein Essen außerhalb des Büros gönnen – gegrillten Fisch oder etwas Ähnliches.
Sie verließ ihren gesicherten Bürotrakt und ging zum Lift. Der vierte Stock des Gebäudes beherbergte das Innenministerium und außerdem eine Abteilung des Gesundheitsministeriums. Das Magellan Billet lag hier absichtlich versteckt – JUSTIZMINISTERIUM, JURISTISCHE TASK FORCE stand in unauffälligen Buchstaben an der Tür – und ihr gefiel die
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