Cotton Reloaded - Folge 1 - Der Beginn
ebenfalls bewaffnet, und er hatte keine Lust, wegen nichts über den Haufen geknallt zu werden. Nicht so kurz vor Dienstschluss.
Als er das Wohnzimmer erreichte, sah er, dass die Frau niemanden mehr über den Haufen schießen würde. Sie lag mit dem Gesicht auf dem Boden. Auf ihrem Hinterkopf blühte eine hässliche rote Wunde.
Und das war es dann. Denn ehe Cotton die Bewegung im Augenwinkel wahrnehmen und reagieren konnte, kam auch schon der Schlag. Der Mann musste sich im Schatten hinter der Tür versteckt haben. Cotton wirbelte herum, aber das Letzte, was er sah, war eine behaarte Männerfaust und ein goldenes Blitzen.
Dann war nur noch Dunkelheit.
*
Brandenburgs Stimme aus dem Funkgerät in seiner Jacke holte ihn zurück.
»Eh, Partner, wo steckst du? Melde dich, verdammt!«
Stöhnend kam Cotton zu sich und sah zunächst nur den blutüberströmten Kopf der Frau direkt vor sich. Mühsam richtete er sich auf und tastete seine schmerzende Schläfe ab. Blut blieb an seiner Hand kleben, nicht gerade wenig. Es rann seinen Hals hinab in den Kragen und hatte bereits die Uniform versaut. Das Blut war noch nicht geronnen, auch das der Frau nicht. Der pochende Schmerz in der Schläfe ließ kaum einen klaren Gedanken zu.
»Verdammt, Cotton! Wenn du mich verarschen willst …«
Damit wusste nun das ganze Department, dass sie beide Mist gebaut hatten.
Mechanisch griff Cotton zum Funkgerät.
»Ganz ruhig, Joe, ich bin hier.«
»Scheiße, was heißt das? Wo steckst du?«
»Bayard Ecke Mulberry. Das Haus neben dem Parkplatz. Ich hab hier einen 10-34. Am besten bringst du gleich die Kavallerie mit.«
»Sag das noch mal.«
Cotton atmete durch. Da der Funkverkehr ohnehin über die Zentrale lief, konnte er es auch gleich offiziell machen.
»Police Officer Cotton meldet einen 10-34. Eine Leiche, Täter flüchtig. Erbitte 10-70.«
»Wiederholen Sie das, Officer Cotton«, kam es prompt von der Zentrale.
Cotton wiederholte es und gab die Adresse durch, während er den Puls der Frau fühlte. Aber sie war so tot, wie man mit einem zertrümmerten Hinterkopf nur sein konnte. Ihr Körper war bereits eiskalt, aber noch hatte die Leichenstarre nicht eingesetzt.
Na los, du bist noch nicht fertig. Konzentrier dich.
Fluchend und noch immer halb benommen tastete Cotton nach seiner Waffe, die nicht weit von ihm auf dem Fußboden lag. Offenbar hatte der Täter es zu eilig gehabt, um ihm damit den Rest zu geben. Als Cotton sich nach seiner Dienstwaffe bückte, sah er etwas unter dem Sofa der Toten liegen. Ein Handy. Ausgeschaltet. Ohne groß zu überlegen, steckte Cotton seine Dienstwaffe zurück ins Holster und schob das Handy der Frau in die Hosentasche. Dann durchsuchte er die Handtasche der Toten, die neben der .38er auf einem Stuhl lag, um herauszufinden, wer sie war. Die Waffe rührte er nicht an.
Er entdeckte ein kleines Etui mit Kreditkarten, einem Führerschein und einer ID-Karte der Firma, bei der die Frau offenbar beschäftigt gewesen war. Die Karte mit dem Magnetstreifen zeigte auf der Vorderseite das Logo einer Softwarefirma namens »Cyberedge – IT-Solutions«, einen alphanumerischen Code und das Foto und den Namen der Toten. Sie hieß Maggie Huang, war 32 Jahre alt und in dieser Wohnung gemeldet. Und nun war sie tot, und er war zu spät gekommen, weil er einem Impuls nicht nachgegeben hatte.
Cotton steckte Kreditkarten und Führerschein zurück in die Tasche. Die Firmenkarte behielt er, ebenso das Handy. Irgendetwas stank hier zum Himmel, und er wollte der Sache selbst nachgehen, soweit er konnte. Beim NYPD gab es viele Joe Brandenburgs.
»Verdammt, Partner, was hast du da für eine Scheiße angerichtet?«
Cotton wandte sich um. Brandenburg stand in der Tür zum Wohnzimmer und sah sich um, ohne auch nur einen Schritt näher zu kommen.
»Er kann nicht weit sein«, sagte Cotton und richtete sich auf.
»Wer?«
»Ihr Mörder, du Idiot!«
Brandenburg blieb immer noch wie angewurzelt in der Tür stehen. Er starrte Cotton an, als rede er wirres Zeug.
In diesem Moment wusste Cotton, dass er ein Riesenproblem hatte.
*
Fünf Minuten später waren die Kollegen vom Abschnitt Manhattan-Süd an Ort und Stelle und verhafteten ihn. Standardvorgehensweise. Cotton nahm es ihnen nicht einmal übel. Ein Arzt stellte den Tod der Frau fest und versorgte Cottons Platzwunde. Dann legte Worzcek, so ziemlich der unsympathischste Officer des NYPD, ihm schweigend Handschellen an, verlas ihm monoton seine Rechte und führte ihn ab. Sie
Weitere Kostenlose Bücher