Cotton Reloaded - Folge 1: Der Beginn
klingelte. Deckers Stimme war plötzlich auf dem Anrufbeantworter.
»Was soll der Blödsinn, Cotton? Gehen Sie ran. Ich weiß, dass Sie beleidigt zu Hause hocken.«
»Was wollen Sie?«, fragte Cotton schroff.
»Hören, wie es Ihnen so geht.«
Sie wollte offenbar heiter klingen, aber das gelang ihr nicht.
»Probleme?«, fragte Cotton.
»Wenn ich noch eine weitere von diesen Secret-Service-Fressen sehe, schieße ich um mich.«
»So schlimm? Sieht Ihnen gar nicht ähnlich.«
»Sie kennen mich nicht, Cotton.«
»Vielleicht mögen Turners Jungs Ihren Issey-Miyake-Duft nicht so wie ich.«
Für einen Moment verblüffte Stille.
»Ist der zu aufdringlich?«
»Im Gegenteil.« Cotton wechselte rasch das Thema. »Irgendwas Neues?«
Decker seufzte. »Nein. Vier von den Secret-Service-Typen waren in West Point, sind aber sauber. Und selbst wenn, ist es so gut wie unmöglich, hier irgendwelche Bomben von dieser Größe reinzuschmuggeln. Ich muss die ganze Zeit an diesen leeren Gewehrkoffer denken.«
»Ich auch.«
»Und wozu dann die Bomben, Cotton?«
»Vielleicht zur Ablenkung. Um Panik zu stiften. Und wenn dann alle aus dem Gebäude rennen, wartet draußen irgendwo ein Sniper.«
»Aber der Präsident sitzt zu diesem Zeitpunkt bereits in einem gepanzerten Fahrzeug.«
Genau das war der Punkt. Es ergab keinen Sinn. Wieder mal.
»Wo ist der Präsident gerade?«
»Auf dem Weg zur UNO.«
»Und wo wird das Gespräch stattfinden?«
»In einem anderen Konferenzraum, in einem der oberen Stockwerke, auf der Ostseite des Gebäudes. Leicht übers Dach mit einem Heli zu evakuieren. Turner mag ein Arschloch sein, aber er macht seinen Job gut.«
»Trotzdem ist da dieses miese Gefühl, nicht wahr?«
Sie zögerte. »Was denken Sie?«
Gute Frage. Ja, was dachte er eigentlich die ganze Zeit? Warum vertrödelte er kostbare Zeit, anstatt an das Naheliegendste zu denken?
»Wann genau ist das Treffen angesetzt?«, fragte er.
»In einer halben Stunde.«
»Verdammt. Sehen Sie zu, dass Sie in der Nähe des Präsidenten bleiben. Ich ruf Sie nachher an.«
»Cotton, was …«
Ehe Decker weiterreden konnte, hatte Cotton aufgelegt und fuhr zu Raschid.
*
»Was für ein Gewehr, denkst du, war da drin?«, fragte er seinen Freund und hielt ihm das Handyfoto des Klappkoffers unter die Nase.
Raschid warf nur einen kurzen Blick darauf und schaute Cotton wieder an. »Als wenn du nicht selbst längst eine Vermutung hättest.«
»Ich will’s von dir hören, Bruder.«
»Scharfschützengewehr, würde ich sagen. Den Aussparungen für den Kolben und der Länge des Laufes nach ein deutsches G22 oder das baugleiche englische Arctic Warfare L115A. Kaliber .300 Winchester Magnum.«
Cotton nickte. »Na, geht doch noch. Wie weit kann man damit schießen?«
»Weit, Bruder.«
»Auch treffen?«
»Kommt auf den Schützen und das Wetter an.«
»Hast du mal einen Stadtplan?«
Raschid breitete eine alte Straßenkarte von New York mit sämtlichen Stadtbezirken auf dem Küchentisch aus. Cotton tippte auf die Stelle, an der das UN-Gebäude stand.
»Wenn ich jemand umnieten wollte, der sich, sagen wir mal, auf der Ostseite des UN-Hochhauses befindet, in einem der oberen Stockwerke?«
Ohne zu zögern deutete Raschid auf die gegenüberliegende Seite des East River. »Ein geübter Schütze würde sich hier irgendwo eine erhöhte und windgeschützte Position suchen.«
Cotton schüttelte den Kopf. »Ein Schuss über den East River? Mann, das ist über eine halbe Meile. Das Glas des Hochhauses spiegelt im Sonnenlicht, und um das UN-Gebäude pfeift der Wind nur so herum. So ein Schuss kann nicht gelingen.«
»Unter günstigen Bedingungen schon. Im Irak gab es ein paar Jungs, die haben ein Talibannest in anderthalb Meilen Entfernung zerlegt. Einen nach dem anderen, und zum Schluss noch das Maschinengewehr.«
Cotton deutete auf die Landspitze von Roosevelt Island, einer lang gestreckten Insel im East River, fast direkt vor dem UN-Gebäude. »Was ist damit? Das wäre nur die Hälfte der Strecke.«
Raschid schüttelte den Kopf. »Vergiss es. Der Schütze braucht einen Standpunkt auf etwa gleicher Höhe. Also in diesem Fall ein Hochhaus.«
*
Wenige Minuten später saß Cotton im Auto, kämpfte sich durch den dichten Verkehr und rief Zeerookah an.
»Cotton, Mann! Woher hast du diese Nummer?«
»Die klebt auf deinem Telefon, wie es sich für behördliche Nebenstellen gehört. Hör zu, ich brauch deine Hilfe.«
»Weiß Decker davon? Oder Mr High?«
»Keine
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