Cotton Reloaded - Folge 2: Countdown
eines Nerds: Blasse Gesichtszüge und das Haar so zerzaust, als käme er gerade aus dem Windkanal.
»Nenn mich nicht Jerry«, sagte Cotton. »Ich bin so schon angefressen genug. Was ist so wichtig, dass man mich um diese unchristliche Zeit aus dem Bett schmeißt?«
»Ich hab null Ahnung.« Zeerookah zuckte bedauernd mit den Schultern. »Hat Decker dich am Telefon nicht informiert?«
»Sie sagte mir bloß, ich soll auf der Stelle meinen Hintern hierher zu einem Meeting bewegen.«
»Deinen Hintern hierher bewegen? Das waren ihre Worte?«
»Im Großen und Ganzen lief es darauf hinaus. Kannst du mir wenigstens verraten, was für eine Art Meeting das sein wird?«
»Ich habe vorhin kurz ein paar hohe Tiere von der Homeland Security und den Chef des NYPD bei Mr High gesehen. Nachher soll ich jemanden aus Washington per Videokonferenz zuschalten.«
»Und wen? Einen Stabschef?«
»Denk größer, Cotton, größer.«
»Einen Sicherheitsberater aus dem Weißen Haus?«
Zeerookah grinste und deutete stumm mit dem Zeigefinger nach oben.
»Etwa den Präsidenten?«
»Bingo!«
»Wow. Und als was soll ich bei diesem illustren Verein fungieren? Wieso beordert Decker mich zu diesem Meeting und keinen Mann wie Dillagio , der schon länger bei der Truppe ist?«
»Dillagio ist anderweitig verplant. Außerdem besitzt er den Charme einer Planierraupe. Nicht gerade optimale Eigenschaften für ein Meeting von solcher Brisanz. Achtung, da rauscht die Hübsche an.«
Zeerookah wandte sich rasch seinem Computer zu, klemmte sich mit der anderen einen Telefonhörer zwischen Schulter und Ohr und tat sehr beschäftigt.
»Na, kurze Nacht gehabt, Special Agent?« Decker schenkte Cotton ein mitfühlendes Lächeln, das so falsch war wie die sichergestellten Blüten in der Asservatenkammer. »Tut mir leid.«
»Ich weiß Ihre Anteilnahme zu würdigen, liebe Philippa.«
»Fein. Dann begeben Sie sich doch schon mal in den Konferenzraum. Ich komme gleich nach.«
»Ich soll mit dem Präsidenten sprechen? Dann wäre wohl ein dunkler Anzug angebrachter gewesen.«
Decker stutzte. »Woher wissen Sie, dass der Präsident zugeschaltet wird?«
Zeerookah zog den Kopf ein und machte sich hinter Cotton noch kleiner, als er ohnehin schon war.
»Ich habe so meine Quellen.« Cotton lächelte mit entwaffnender Unschuld.
Decker starrte ihn unterkühlt an. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie derart sensible Vertraulichkeiten nicht überall herumposaunen würden. Und nun gehen Sie endlich.«
Cotton betrat den abhörsicheren Konferenzraum. Dessen Mitte beherrschte der größte Tisch, den er je gesehen hatte. Das längliche Möbelstück war aus gebürstetem Edelstahl und mit einer schwarzen Glasplatte versehen. Die Auflage war leer. Es gab keine der sonst bei Konferenzen üblichen Erfrischungen. Schlechtes Zeichen. Das verlieh diesem außerplanmäßigen Meeting etwas Verschwörerisches.
An der rechten Kopfwand hing ein Siebzigzollmonitor. Die Leitung für eine Videokonferenz stand bereits. Der Bildschirm war in mehrere Splitscreens unterteilt. Die Teilnehmer hatten noch nicht vor den Kameras Platz genommen. Die aufgeteilten Rechtecke des Bildschirms zeigten nur die Embleme ihrer jeweiligen Behörde: CIA, FBI, NSA. Den größten Bild-in-Bild-Bereich beanspruchte das Wappen des Präsidenten der Vereinigten Staaten.
Cotton suchte sich einen Platz an der Längsseite des Tisches und döste vor sich hin. Minuten später wurde der Stuhl neben ihm verrückt. Er öffnete die Augen und erblickte Decker. Sie schaute ihn an, als wollte sie ihn mit bloßen Händen erwürgen.
»Reißen Sie sich zusammen, schlafen können Sie zu Hause«, zischte sie, während sie neben ihm Platz nahm. »Hier kommen gleich die führenden Köpfe der US-Geheimdienste zusammen. Wer es wegen der Entfernung nicht nach New York schaffen konnte, wird per Videokonferenz zugeschaltet. Hören Sie zu, lernen Sie, sammeln Sie Erfahrungen über Krisenmanagement auf höchster politischer Ebene. Aber mischen Sie sich niemals in die Diskussion ein. Was immer jemand sagt, Sie halten den Mund, verstanden?«
»Sie waren ja deutlich genug«, sagte Cotton.
Nach und nach stieß eine Gruppe hochrangiger Mitarbeiter lokaler Sicherheitsdienste hinzu. Insgesamt saßen schließlich zwölf Entscheidungsträger am Tisch.
Als Letzter betrat John D. High den Raum, in der Hand eine dünne Aktenmappe. Er schloss die Tür hinter sich und setzte sich an das privilegierte Kopfende des Tisches. Sein Gesicht wirkte hart
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