Crashkurs Wein (Allgemeine Einführungen) (German Edition)
– Letzteres nennt man »Grüne Lese« oder »Grünlese«. Damit hat er es in der Hand, ob er mehr Masse oder mehr Qualität erhalten will. Ein Weinberg gibt eben nur eine bestimmte Menge an Nähr- und Geschmacksstoffen her; daher spielt es eine große Rolle, ob sich das auf viel oder wenige Weintrauben verteilt. Das nennt man das Menge-Güte-Gesetz. Die Erntemenge bei Wein wird in Hektoliter (1 Hektoliter sind 100 Liter) pro Hektar gemessen, die Bandbreite dabei ist sehr groß: Für einfachen Tafelwein oder Tafeltrauben ist es locker drin, bis zu 300 Hektoliter pro Hektar aus dem Boden herauszuholen.
Sehr qualitätsorientierte Winzer arbeiten, je nach Region und Rebe, bei ihren Spitzenweinen gerne mal mit Hektarerträgen zwischen 15 und 40 Hektoliter. Das bedeutet, dass bei Massenweinen der Ertrag pro Hektar durchaus zehnmal so hoch sein kann wie bei Rebanlagen, die für die Produktion von Spitzenweinen ausgelegt sind – bei mindestens gleichen Kosten pro Hektar für den Winzer, der so wenig produziert. Dass die Flasche Rot- oder Weißwein, die Sie beim Discounter Ihres Vertrauens für ca. 1,50 Euro bekommen, wohl nicht in die Kategorie der schmeckbar konzentrierten Spitzenweine fallen dürfte, liegt auf der Hand.
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Familienzwist um die »Grüne Lese«
Ein Generationskonflikt, bei dem sich gerade in Deutschland und Österreich schon Unmengen von Winzerfamilien richtig in die Haare bekommen haben, ist die »Grüne Lese«, also diese Aktion, bei der von den kleinen grünen Trauben einiges abgeschnitten wird und zu Boden fällt. Bis in die frühen 1980er-Jahre war nämlich der Fassweinpreis für Wein so gut, dass auch Winzer, die auf Menge produzierten, prima davon leben konnten und relativ gute Preise für ihre Trauben oder ihren Fasswein erzielten. In den Köpfen vieler Winzer der Nachkriegsgeneration ist bis heute jeder Liter Wein wertvoll, erstmal ungeachtet der Qualität. Nun rückte oder rückt in vielen dieser Weingüter die junge Generation an: Die Töchter und Söhne der Winzer sind häufig blendend ausgebildet, haben in guten Betrieben gelernt, meist in den Weinhochburgen Geisenheim oder Heilbronn Weinbau und Kellertechnik studiert und sich oft noch in Kalifornien, Neuseeland, Südamerika oder Südafrika den Wind der Weinwelt um die Nase wehen lassen.
Viele von ihnen, zum Beispiel in Rheinhessen und in der Pfalz, haben das brillante Potenzial ihrer bisher zum Teil völlig unbekannten Lagen erkannt und formen mit Feuereifer aus Weingütern, die vorher überwiegend Fassweine und billige Literflaschen verkauft haben, funkelnagelneue Spitzenweingüter. Das geht natürlich nur mit guten Qualitäten. Und dafür kann die »Grüne Lese« wichtig sein. Für viele der Senioren ist das unerträglich: Sie sehen nur, dass da »wertvoller« Wein einfach abgeschnitten und weggeworfen wird. Grund, den Junioren bittere Vorhaltungen zu machen, dass sie vorsätzlich Geld vernichten und das Weingut in den Ruin treiben würden. Ich kenne ein aufstrebendes Weingut, wo der Junior immer nur dann die »Grüne Lese« durchführen konnte, wenn sein Papa in Urlaub gefahren war. Unterstützung erhielt er jedoch vom Opa, der noch den Vorkriegs-Qualitätsgedanken verinnerlicht hatte und dem Enkel auch die ersten Barriques (kleine 225-Liter-Eichenfässchen) finanzierte. Mittlerweile ist das Weingut recht bekannt und erzielt viele Medaillen und gute Preise – seitdem ist Ruhe. Aber das ist beileibe kein Einzelfall, und viele junge Winzerinnen und Winzer (oder auch deren Eltern) rollen gequält mit den Augen, wenn dieses Thema zur Sprache kommt.
Mut zur Reduktion, das ist bei der »Grünen Lese« entscheidend.
DAS TERROIR – SCHLÜSSEL ZUR HERKUNFT DES WEINES
Und dann ist viel vom sogenannten »Terroir« die Rede. Damit ist in erster Linie, aber bei Weitem nicht nur, der Boden gemeint, auf dem und in dem der Wein wächst. Die unterschiedlichen Bodentypen geben den Weinen eine spezifische geschmackliche Prägung mit auf den Weg. Der Begriff »Terroir« bedeutet jedoch weitaus mehr:
Er umfasst die wesentlichen Voraussetzungen, welche die Biologie des Rebstocks und damit unmittelbar den Charakter der daran wachsenden Trauben beeinflussen. Dabei sind die wichtigsten Faktoren die chemische und physikalische Zusammensetzung des Weinbergbodens bis in die tieferen Schichten hinein, in welche die Wurzeln vordringen, das Klima mit Tages- und Nachttemperaturen und Niederschlagshäufigkeit, die Intensität der
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