Crashkurs Wein (Allgemeine Einführungen) (German Edition)
noch möglich ist: also auf kargen, steinigen Böden; Böden, auf denen sich die Rebe ordentlich quälen muss. An den Schiefer-Steilhängen der Mosel beispielsweise graben sich die Rebwurzeln in ihrem Überlebenskampf Schicht um Schicht, manchmal bis zu fünfzehn Meter regelrecht durch den Fels.
In der Champagne ist die Erdschicht teilweise nur 20 Zentimeter dick – darunter liegt reine Kreide, in welche die Reben bis zu 45 Meter tief hineinwurzeln. Aus jeder Schicht, durch die eine Rebwurzel durch muss, holt sie sich Mineralien und Nährstoffe ab, die sich naturgemäß transformiert in den Trauben wiederfinden. Und letztendlich damit den Geschmack des Weines maßgeblich mitbestimmen.
Hier sind wir ganz en passant auch zwei Begriffen auf der Spur, die in der etwas kryptischen Weinsprache häufig Verwendung finden:
Da wird gesagt, Weine schmecken »mineralisch« oder »vielschichtig«. Klar: Ein Rebstock, dessen Wurzeln tief in einen steinigen Boden wie Schiefer oder Granit hineinragt, nimmt natürlich auch viele Mineralien aus dem Untergrund mit auf – und das ist manchmal schon zu schmecken, der Wein wird mineralisch. »Vielschichtig« wird ein Wein dann, wenn mit zunehmendem Alter der Rebstock in immer mehr Bodenschichten vordringt, aus denen er sich die verschiedensten Aromen herauszieht und an seine Trauben weitergibt. Wenn es dem Winzer gelingt, die Botschaft solcher Trauben in die Weinflasche zu bannen, also den Wein so ausbaut, dass möglichst viele von diesen besonderen Geschmacksnuancen sich hinterher in ihm wiederfinden – dann hat man es im Idealfall tatsächlich mit einem schmeckbar vielschichtigen, nuancenreichen Wein zu tun.
Unter anderem ein Grund, warum in letzter Zeit auch wieder vermehrt Weine aus alten Rebstöcken – als »Alte Reben« oder auf Französisch »Vielles Vignes« bezeichnet – ihren Platz im gehobenen Weinsegment zurückeroberten. Ist ja auch irgendwo logisch: Ältere Rebstöcke haben Wurzeln, die tiefer in den Boden hineinwachsen, also ist die Wahrscheinlichkeit, dass hier ein vielschichtiger Wein herauskommt, weitaus höher.
Und dass die Winzer ein bisschen damit angeben wollen, dass sie so alte Rebstöcke haben (die meist auch viel weniger Menge bringen als die jungen Hüpfer) kann man auch verstehen.
Große Weinfelder wie dieses ermöglichen eine rationelle Bearbeitung und maschinelle Lese.
Je »schwerer« es der Weinstock hat, desto besser am Ende das Resultat. Der Weinstock nimmt Mineralien aus dem Boden auf und gibt sie letztlich an seine Fürchte, die Trauben, ab.
EXTRAKT – DAS MENGE-GÜTE-GESETZ ODER: DIE REBSCHERE STEUERT DIE WEINQUALITÄT
Kommen wir zu einem weiteren Begriff aus der Weinsprache. Da wird von der Weinkennerszene ein guter Wein häufig mit dem Begriff »extrakt-reich« gelobt. Fleischextrakt kennen Sie, Kaffeeextrakt auch, aber Weinextrakt? Die Antwort ist ganz einfach: Bestimmt ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass ein preisgünstiger Wein manchmal irgendwie wässerig schmeckt – also wenig Aromen bietet, dass der Wein vielleicht nicht den ganzen Mundraum ausfüllt und beim Runterschlucken auch wenig bis gar nichts an Geschmack hinterlässt. Trinkt man dann einen teureren Wein, so schmeckt man oft (aber nicht immer) mehr von alledem: mehr Duft, mehr Aroma, oft auch einen länger anhaltenden Geschmack, sowohl im Mundraum als auch nach dem Schlucken. Kurz: Er macht einfach insgesamt viel mehr her im Mund.
Der Hauptgrund für diese Unterschiede ist, dass der Winzer in einem sehr wichtigen Bereich viel Einfluss darauf hat, wie sich die Qualität des Weines entwickeln kann: Und zwar bei der Weinmenge, die er aus einem Hektar Boden an Wein herausholt. Der Rebstock an sich ist äußerst undiszipliniert: Er produziert, wenn man ihn lässt, unglaublich viele, wuchernde Triebe, die wiederum möglichst viele Trauben ansetzen. Oft sind es so viele, dass der Rebstock diese dann am Ende entweder gar nicht oder nur mühsam ernähren kann – jedenfalls nicht so, dass ein vernünftiger Wein dabei herauskommen kann.
Das ist die Stunde des Winzers: Jetzt greift er mit der Rebschere ein und schneidet bereits schon in der Ruhephase den Rebstock so zurück, dass nur noch ein einziger Trieb übrig bleibt (manche Winzer lassen auch zwei Triebe stehen; das hängt von der Rebsorte und natürlich auch vom Terroir ab). Scheint dem Winzer im Sommer die Traubenzahl zu hoch, greift er nochmals zur Schere und entfernt einen Teil der noch ganz winzigen, grünen Trauben
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