Crazy Moon
prustete so heftig los, dass sie die Hand vor den Mund halten musste. Beim Lachen bekam sie Grübchen wie ein kleines Mädchen. »Nein, nicht
der
Norman. Ich meine, vielleicht hat er ja auch Haarknäuel – bei der Mähne. Aber ich habe nie mitbekommen, dass er welche ausgehustet hätte . . .«
»Sorry, ich habe dich einfach nicht genau verstanden.« Plötzlich kam ich mir vor, als sei ich wieder dick. Ich fühlte mich genauso mies wie damals, wenn mich jemand ausgelacht hatte.
Sie hakte sich bei mir ein. »Ein verständlicher Irrtum. Immerhin wurde Kater Norman nach Norman Norman benannt. Sie sind sich vom Charakter her sehr ähnlich. Ganz zu schweigen davon, dass sich beide bewegen wie fließender Sirup, nämlich zäh.«
»Norman Norman.« Ich wiederholte stupide den Namen, während wir ins Wohnzimmer gingen. Es war groß |23| und hell und nahm die ganze hintere Hälfte des Hauses ein, in Entsprechung zur vorderen Veranda. Im Fernsehen lief schon der nächste Kampf: Zwei kleine Männer mit roten Köpfen und schwarzen Boxershorts umkreisten einander lauernd.
»Ohne die beiden kann ich nicht leben.« Mira machte eine theatralische Geste. Nach einem flüchtigen Blick auf den Bildschirm wandte sie sich wieder mir zu: »Wenn Norman Norman nicht unten im Keller wohnen würde, hätte ich niemanden, der Gläser mit Schraubverschlüssen für mich öffnet. Und Kater Norman ist wie mein Kind.«
»Norman wohnt mit hier im Haus?«
»Natürlich, was dachtest du denn?« Als sei das vollkommen selbstverständlich. Mira setzte sich in den großen Plüschsessel vor dem Fernseher und schlug den Kimono adrett über ihren Beinen zusammen. An der Wand hing ein großes Gemälde, das sie mit Kater Norman auf der Wiese vor dem Haus darstellte. Auf dem Bild trug sie ein weißes Kleid und eine Sonnenbrille mit einer sternförmigen rosa Fassung. Sie lächelte. Kater Norman stand neben ihr; sein Rücken wölbte sich ihrer Hand entgegen, die ihn streichelte. »Er hat die Zimmer unten im Haus. Ein sehr angenehmer Mitbewohner. Manchmal vergesse ich fast, dass er überhaupt da ist.«
Ich setzte mich ebenfalls. Durch die Fenster hatte man einen direkten Blick aufs Meer. Das Wasser funkelte blau in der Sonne. Ein Trampelpfad führte vom Haus zum Strand, und als ich den Hals reckte, sah ich Norman, der eine seiner kopflosen Schaufensterpuppen durch den Garten schleppte. Rechts von dem Pfad stand ein kleineres Haus, wie Miras weiß gestrichen. An einer |24| Wäscheleine flatterten knallbunte Kleidungsstücke im Wind.
»Na, wie war die Reise?« Sie lehnte sich im Sessel zurück.
»Gut.«
»Und wie geht es deiner Mutter?«
»Gut.«
Sie nickte und ließ ihre Grübchen aufblitzen. »Aua! Hat das wehgetan?«
»Was?«
»Das Ding in deiner Lippe.«
»Nein.«
Wieder nickte sie. Da uns die Themen ausgingen, sah ich mich unauffällig im Zimmer um. Alles war alt und reparaturbedürftig: Der Rücklehne des Schaukelstuhls fehlten ein paar Streben; der brombeerfarbene Anstrich der kleinen Kommode war verblasst, die Schubladen hatten keine Griffe mehr; das mit Murmeln und Muscheln gefüllte Aquarium hatte einen Sprung. Dennoch besaßen die Gegenstände einen gewissen kitschigen Charme.
Aber als ich genauer hinsah, entdeckte ich plötzlich die Schilder, mit ordentlichen Druckbuchstaben beschriftete Karteikärtchen, wie das an der Haustür. FENSTER KLEMMT LINKS stand auf dem Fensterrahmen und neben dem Lichtschalter auf der anderen Seite des Raumes MITTLERER SCHALTER FUNKTIONIERT NICHT. Doch mein Lieblingsschild war mit Tesafilm neben dem Programmknopf des Fernsehers befestigt: FÜR KANAL ELF EIN BISSCHEN WACKELN.
Es würden verdammt lange Sommerferien werden.
»Meine Güte!«, sagte Mira so unvermittelt, dass ich zusammenfuhr. Sie beugte sich vor, nein – sie wogte in |25| ihrem Sessel Richtung Fernseher, denn wie bei dem Kater dauerte es auch bei ihr einen Moment, bevor die gesamte Körpermasse der Bewegung folgen konnte. »Ist es denn die Möglichkeit?! Dieser grässliche El Gigantico. Stürzt sich einfach in den Ring und attackiert den armen kleinen Rex Runyon. Dabei ist es nicht mal sein Match.«
»Häh?«
»Sieh doch!« Sie deutete auf den Bildschirm. »El Giganticos Freundin, Lola Baby, hat ihn letzte Woche wegen Rex Runyon verlassen. Deshalb will er den armen Rex jetzt zu Mus hauen. Nein! Warum halten die Kampfrichter ihn nicht auf? So eine Schweinerei!«
Ich starrte sie an; sie hatte sich vorgebeugt und blickte unverwandt auf den
Weitere Kostenlose Bücher