Creepers - Der Fluch der Hexe
gebettet, lag Prudence. Anstatt entsetzt zurückzuschrecken, verspürte ich eine seltsame Erleichterung, und war einfach nur froh darüber, dass Prudence wohlbehalten und in Sicherheit war. Ich wusste, dass es sich um Prudence handelte, weil ihre Knochen noch Reste des weißen weiten Rocks und der Bluse trugen, in denen sie eben noch durch unseren Garten gesprungen war. Natürlich sahen die Kleidungsstücke in Wirklichkeit sehr viel älter aus. Sie waren verblichen und zerrissen, aber ich konnte sie trotzdem wiedererkennen. Zu Prudence’ Füßen lag eine Ansammlung von Werkzeugen – Meißel, Hämmer und Steine. Die kleinen Steinbrocken hatten die Farbe und Struktur von Schiefer.
Mom und Dad schwiegen und traten einen Schritt zurück, als Margaret und Mr. Geyer sich neben das Loch knieten. Mr. Geyers Hand zitterte, als er sie über den Sarg hielt, fast so, als würde er einen Segen erteilen.
»Dad, du musst sie berühren, und dann musst du mich berühren, weißt du noch?« Margaret stieß ihn sanft an. Ihr Blick war fest auf den Sarg gerichtet, als sie seine Hand zu der Stelle führte, wo einst Prudence’ Herz geschlagen hatte. Doch bevor er Prudence berührte, zupfte Mr. Geyer vorsichtig an den Rändern der Decke, so als wollte er sicherstellen, dass sie es bequem hatte.
Mom und Dad traten weiter zurück und stellten sich hinter mich. Beide machten große Augen.
Ich sah, wie Mr. Geyer eine Träne über die Wange lief.
Er wandte sich Margaret zu, während er weiter ihre Hand hielt. »Wir müssen Christian finden«, sagte er bestimmt.
In diesem Moment entdeckte ich, dass aus dem kleinen Steinhaufen zu Prudence’ Füßen ein altes zusammengerolltes Blatt Papier hervorlugte. »Was ist das da?« Ich deutete in den Sarg. Wir beugten uns alle näher heran, als Mr. Geyer das Papier zwischen den Steinbrocken hervorzog, die ich für die Reste eines Grabsteins hielt.
»Das sieht aus wie ein Pergament«, murmelte Mom, die sich nicht länger zurückhalten konnte.
Mr. Geyer stand schwankend auf, während er das aufgerollte Papier fest umklammert hielt. Er breitete es auseinander und flüsterte: »Das ist eine Seite aus Christians Tagebuch.«
»Lies sie uns vor«, sagte Margaret und ergriff unerwartet meine Hand.
Er wischte sich mit der Rückseite seines Handgelenks über die Wange und richtete sich auf, so als wolle er die alte puritanische Haltung einnehmen. Seine Stimme war leise, als er vorlas.
Die Hexe hat gesagt, dies sei der einzige Weg, unser Leid zu beenden.
Ich wusste, dass sie mich liebt. Ich habe es nie angezweifelt.
Sie hat sich geweigert, mich zu heiraten, weil sie eine Hexe war.
Doch sie hatte keine Bedenken, mein Kind auszutragen.
Prudence.
Deine Mutter weiß, was zu tun ist.
»Begrab sie«, sagte sie, »im Keller.
Begrab sie in deinem eigenen Fundament.
Dort können sie ihr nichts anhaben.
Und wenn du stirbst«, versprach sie mir, »dann werde ich dich begraben, nicht weit von mir oder unserer Tochter.
Am Ende wird der Efeu uns verbinden,
Und einst in Ewigkeit vereinen.
Der Efeu wird wissen, wann die Zeit gekommen ist.«
Gott gebe mir die Kraft, ihr zu glauben.
Ich fragte mich, ob den anderen das Herz genauso wild schlug wie mir.
»Was bedeutet das?«, fragte ich flüsternd. Sogar Dad hatte sich in unseren Kreis gebeugt. Mr. Geyer zitterte. Er räusperte sich, bevor er antwortete.
»Es bedeutet, dass die Hexe das alles geplant hat. So als könnte sie die Kräfte der Natur derart beeinflussen, dass sie die drei einst in ferner Zukunft wiedervereinen würde.« Er nahm sich die Brille ab und rieb sie an sein Hemd. »In einer Zeit, in der Hexen nicht mehr auf dem Scheiterhaufen verbrannt würden.«
Margarets Gesicht schien hinter ihren smaragdgrünen Augen zu verschwinden. Sie sah Mr. Geyer an. Ihre Lippen bewegten sich, als wollte sie sprechen, aber die Worte schienen ihr zu fehlen. Mr. Geyer hob ihr Gesicht sanft an und musterte sie, als sei sie eine Fremde.
»Ich hätte nie vermutet, dass Prudence auch die Tochter der Hexe ist«, sagte er flüsternd. Er schüttelte den Kopf.
Mom und Dad standen nun am Fuß des Grabs. Mom hatte ihre Hand schützend vor den Bauch gelegt, eine nervöse Angewohnheit, die ich von ihr kannte. Normalerweise fragte ich sie immer scherzhaft, ob sie Angst hätte, es könne ihr etwas »auf den Magen schlagen«, aber nicht heute. Dad zog das T-Shirt hoch und wischte sich damit übers Gesicht, eine Geste, die meine Mutter normalerweise zur Weißglut trieb, aber
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