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Creepers - Der Fluch der Hexe

Creepers - Der Fluch der Hexe

Titel: Creepers - Der Fluch der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Dahme
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so vor, als würden der Efeu und ich uns gerade erst kennenlernen.

    Bis zum darauffolgenden Samstag hatte Dad mit dem Efeu noch keine allzu großen Fortschritte gemacht. Die Aufgabe gehörte zu den Draußenarbeiten und fiel somit in Dads Zuständigkeitsbereich, zumindest solange, bis er die Gartenarbeit offiziell mir übertrug. Mom hatte ihn mit den Drinnenarbeiten eindeutig geschlagen. Innerhalb von einer Woche hatte sie die Möbel zurechtgerückt, die Vorhänge angebracht, die Töpfe und Pfannen in Schränke geräumt oder an Haken gehängt und alle Umzugskartons auf die entsprechenden Zimmer verteilt. Einige der Kartons trugen die Aufschrift »Wintersachen« und wurden erstmal im Keller verstaut.
    Ich saß auf der Mauer zwischen unserem Garten und dem Friedhof und sah meinem Vater zu, wie er sich quälte, während ich auf meine Mutter wartete. Ich hatte ihr gesagt, dass ich in den Supermarkt mitkommen wollte, da ich ohnehin nichts Besseres zu tun hatte. Es war sonnig und heiß, und der Efeu hatte den gesamten Friedhof in Beschlag genommen. Kleine Rinnsale von Efeu strömten über die grasigen Hügel oder schlängelten sich um die alten Grabsteine herum. Einzelne Ranken baumelten an den Zweigen der Bäume wie Plastiktüten, die der Wind gefangen hat. Ich kniff die Augen zusammen, um einzelne Blätter genauer zu betrachten, die sich an einem nahe gelegenen Baum wiegten. Sie schienen leicht zu zittern, obwohl ich nicht den geringsten Lufthauch spüren konnte.
    War der Efeu schon da, als wir uns das Haus im vergangenen Mai zum ersten Mal angesehen haben? Ich konnte mich nicht daran erinnern, allerdings hatte ich dem Friedhof damals absichtlichnicht allzu viel Aufmerksamkeit geschenkt. Als meine Mutter mir erzählte, dass wir in Zukunft nicht nur neben einem Maisfeld, sondern auch neben einem Feld von Grabsteinen wohnen würden, hatte ich an nichts anderes mehr denken können als an die zahllosen Horrorfilme, die ich bislang so gesehen hatte – halb verweste Hände, die sich aus der Erde reckten und nach Fußgelenken griffen –, aber nach einer Woche fing ich allmählich an, mich an die Efeuranken zu gewöhnen. Wenn ich von meinem Schlafzimmerfenster aus auf den mondbeschienenen Friedhof sah, bot sich mir eine ganz andere Perspektive. Der Friedhof war ruhig, fast so, als würde er schlafen. Er wirkte geradezu magisch mit seinen Grabsteinen, die das Mondlicht reflektierten wie Sterne. Und in dem zart schimmernden Licht war der Efeu vollkommen unsichtbar – entweder weil er im Dunkelgrün der Landschaft unterging, oder weil er des Nachts in sich zusammenschrumpfte wie eine Prunkwinde.
    Anders als in den Filmen wurde der Friedhof, den ich nachts von meinem Fenster aus sah, nicht von Zombies oder Geistern bevölkert, sondern bewahrte seine respektvolle Stille, die nur vom Geräusch der Zikaden unterbrochen wurde. Meine Mutter erzählte mir immer wieder, dass der Verstand einem gern mal einen Streich spielt, wenn man eine Sache ansieht, die angeblich furchterregend sein soll. Der Anblick, der sich mir im Laufe der Woche bot, hatte jedoch nichts Aufregenderes zu bieten als Hunderte von tristen Steinen, die im Mondschein zu meditieren schienen. Vielleicht verkroch sich der Efeu ja wirklich dort unten, um zu schlafen – es war so ruhig.
    »He, Courtney! Ich könnte hier gut ein bisschen Hilfe gebrauchen.« Dads Stimme riss mich aus meiner Konzentration. Er machte sich schon wieder über den Efeu her, diesmal an der dem Friedhof zugewandten Hausseite. Der Efeu schien von außen am Kamin hochzukrabbeln. Dad begab sich mit einer Schere in Position, die er wie eine Waffe hochhielt, um den Feind zu attackieren. Ich musste über sein Gesicht lachen, das vor lauter Schweiß und Schmutz ganz verschmiert war. Dabei sah er allerdings ziemlich wütend aus – er war nun mal ein unheimlich ernsthafter Typ.
    »Ein paar Minuten noch, Dad, dann komm ich. Ich versuche gerade, mich hier zurechtzufinden.«
    Er zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf – genauso wie er es immer tut, wenn meine Mutter ihn vertröstet. Mir war klar, dass er nicht die leiseste Ahnung hatte, wovon ich sprach. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich selbst eine hatte. Ich wollte einfach nur wissen, ob der Efeu die ganze Zeit schon auf dem Friedhof gewesen war oder nicht.
    Anscheinend hatte ich mich so sehr auf den Efeu konzentriert – auf seine gelben Adern, die vor dem dunkelgrünen Hintergrund der Blätter leuchteten –, dass ich gar nicht bemerkte,

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