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Crescendo

Crescendo

Titel: Crescendo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Corley
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Fall der Fälle würde er sich nicht auf sein unsicheres Gedächtnis verlassen müssen. Durch die vielen Schläge, die er als Boxer eingesteckt hatte, war es unzuverlässig geworden, weshalb er sich ständig Notizen machte. Sein größtes Problem war, sich daran zu erinnern, dass er sich welche gemacht hatte.
     
    Am nächsten Morgen stieg der Mann mit dem Rucksack ein paar Meilen von der walisischen Grenze entfernt aus einem Bus und atmete tief die saubere Luft ein. Er hatte Einkaufstüten dabei, deren Gewicht ihn nur wenig störte, während er zu Fuß die drei Meilen zum Rand eines vertrauten Dorfes ging, von wo aus er über einen Pfad in den Wald gelangte. Die Ferien-Cottages hier in der Gegend stammten aus den sechziger Jahren. Sie lagen weit auseinander, so dass man ungestört war, und boten Aussicht auf einen See in der Ferne. Ein Cottage lag ein gutes Stück abseits vom Weg. Er nutzte es als Unterschlupf, wenn er Ruhe brauchte und wieder zu sich finden musste, normalerweise nach einem »Ereignis«, wie er seine Arbeit nannte. Er war etwa zweimal im Jahr hier, aber zu keiner festen Jahreszeit.
    Das Cottage war eigentlich ein Bungalow mit einem zusätzlichen Schlafraum unter dem Dach. Im Laufe der Jahre hatte er die alte Einrichtung ausrangiert und neue Möbel gekauft: Feldbett, einen einfachen Kleiderschrank, Schreibtisch, Kommode, Fernseher und einen Sessel. Nur die Küche war unverändert. Er konnte weder Wasser- noch Elektroleitungen verlegen und hatte deshalb alles beim Alten gelassen, trotz der Erinnerungen, die in jeder Ecke lauerten.
    Er machte sich Tee und holte dann das Haschisch hervor, das er im Brotkasten versteckt hatte. Die mäusesichere Verpackung war intakt, und er drehte sich einen Joint. Er ging mit der Tasse Tee und dem Joint ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein. In einer Schublade hatte er eine Sammlung Videos mit Gewaltpornos. Er suchte seinen Lieblingsfilm heraus und überließ sich eine Stunde lang seinen Phantasien, wobei das fiktive Geschehen auf dem Bildschirm mit den frischen Erinnerungen an tatsächlich Passiertes verschmolz.
    Er fiel in einen zufriedenen Schlaf und wachte um fünf am nächsten Morgen auf. Das Frühstück bestand aus reichlich Schinken mit Eiern aus seinen neuen Vorräten. Er fühlte sich gestärkt, aber ruhelos, brannte darauf, wieder so zu leben wie vorher, doch das war unmöglich. Es war idiotisch von Griffiths gewesen, sich schnappen zu lassen, und er war enttäuscht von ihm.
    Jahrelang hatten sie in einer lockeren Partnerschaft zusammengearbeitet, mit wachsendem Selbstvertrauen, je geschickter und einfallsreicher sie wurden. Es hatte sie regelrecht süchtig gemacht, offen über ihre Erlebnisse zu sprechen und doch völlig unabhängig zu operieren. Er war von ihnen beiden der Klügere, Kühnere und Originellere. Griffiths bewunderte ihn zu sehr, um ein würdiger Partner zu sein, aber man konnte sich mit ihm arrangieren. Im Unterbewusstsein war Griffiths’ Heldenverehrung eines der Dinge, die der Mann vermisste.
    Und nun musste er ihn irgendwie aus dem Gefängnis holen. Es war zu ärgerlich. Die Spielerei mit Verschlüsselungen und Büchern war ja ganz amüsant gewesen, aber der Reiz verschwand allmählich, und die Polizei hatte zwischen dem Tod der Frau in London und den Taten, die Griffiths ins Gefängnis gebracht hatten, keine Verbindung hergestellt. Er hatte ihr einen Finger abgeschnitten und ihn später von einer Brücke in die Themse geworfen, weil er keinen Wert für ihn hatte. Selbst der dümmste Bulle hätte sich doch denken können, dass da eine Verbindung bestand!
    Er scheute davor zurück, einen Brief zu schicken. Erst letzte Woche hatte er in einem Krimi im Fernsehen gesehen, wie ein Mann erwischt wurde, weil er Briefe geschickt hatte, obwohl er vorsichtig vorgegangen war. Er wollte kein unnötiges Risiko eingehen. Und wenn er anrief? Das wäre eine Möglichkeit, aber es kam ihm unbeholfen vor, und er wollte, dass seine Methoden elegant waren. Wie der Psychoterror, den er bei der Polizistin angewandt hatte. Bloß dass sie nicht mehr in ihrer Wohnung gewesen war, als er beschlossen hatte, der Sache ein Ende zu setzen. Der Vogel war ausgeflogen. Jetzt musste er mit der Suche nach ihr ganz von vorn anfangen, aber er fand, dass sie es wert war. Normalerweise war er kein Freund davon, Pläne machen zu müssen, denn er verließ sich lieber auf seine Inspiration, wie am letzten Wochenende. Er musste lächeln bei der Erinnerung. Er hatte sich über

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