Cronin, Justin
sterben.
Peter und die anderen hatten um Las Vegas einen
weiten Bogen gemacht. Sie nahmen zwar an, dass die Stadt leer war, wollten
jedoch auf Nummer sicher gehen. Inzwischen war es richtig Sommer geworden, und
die schattenlosen Tage waren lang und brutal. Sie wollten so schnell wie
möglich nach Hause. Und jetzt standen sie vor dem Kraftwerk. Das Tor im Zaun
war offen. Michael nahm sich die Eingangsluke vor. Er schraubte die Stahlplatte
vor dem Schloss ab und löste die Zuhaltungen mit der Spitze seines Messers.
Peter ging als Erster hinein. Ein helles,
metallisches Klacken unter seinen Sohlen - er wischte sich den Schweiß aus den
Augen und bückte sich, um zu sehen, was es war. Patronenhülsen.
Die Wände an der Treppe waren völlig
zerschossen, und die Stufen waren von Betonbrocken übersät. Die Lampe war
zerschmettert. Alicia kam herein und nahm in der kühlen Dunkelheit ihre
Sonnenbrille ab. Dunkelheit war kein Problem für sie. Peter und die andern
warteten, während sie mit dem Gewehr im Anschlag in den Kontrollraum hinunterstieg.
Dann hörten sie ihren Pfiff: Alles klar.
Als sie unten ankamen, hatte Lish schon eine
Laterne gefunden und den Docht angezündet. Der Raum war verwüstet. Der lange
Tisch in der Mitte lag auf der Seite; offensichtlich hatte er als Deckung
gedient. Auch hier war der Boden übersät von Patronenhülsen und leeren Magazinen.
Aber die Steuertafel selbst schien noch intakt zu sein: Die elektrischen
Anzeigen leuchteten. Sie gingen weiter zu den Lagerräumen und Unterkünften.
Niemand. Keine Leichen.
»Amy«, sagte Peter, »weißt du, was hier passiert
ist?« Wie alle andern betrachtete sie das Ausmaß der Zerstörung mit stummer
Ratlosigkeit.
»Nicht? Du fühlst nichts?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube ... das
haben Menschen getan.«
Das Regal vor der Wand, hinter dem die Gewehre
versteckt gewesen waren, war abgerückt, und die Gewehre waren ebenfalls
verschwunden. Was hatte sich hier abgespielt? Ein Kampf - doch wer hatte gegen
wen gekämpft? Hunderte Patronen waren im Korridor und im Kontrollraum abgefeuert
worden, und weitere in der Unterkunft, die ein Trümmerhaufen war. Wo waren die
Toten? Wo war das Blut?
»Tja, Strom gibt es noch«, verkündete Michael,
der sich an das Steuerpult gesetzt hatte. Sein Haar fiel ihm inzwischen bis
auf die Schultern. Seine Haut war bronzebraun von der Sonne und windgegerbt,
und sie schälte sich auf den Wangenknochen. Er tippte auf der Tastatur und
betrachtete die Zahlen, die über den Monitor liefen. »Die Diagnostik lässt kein
Problem erkennen. Eigentlich müsste reichlich Saft den Berg hinauffließen. Es
sei denn ...« Er brach ab und klopfte mit einem Finger an seine Lippen. Dann
fing er wieder an, wie rasend zu tippen, sprang auf, um die Anzeigen über
seinem Kopf abzulesen, und setzte sich wieder hin. Mit einem langen Fingernagel
klopfte er an den Monitor. »Hier.«
»Michael, erzähl's uns einfach«, sagte Peter.
»Das ist das Backup-Log des Systems. Jede Nacht,
wenn die Akkus auf unter vierzig Prozent sinken, schicken sie ein Signal
hierher und fordern mehr Strom an. Alles komplett automatisiert - man sieht
nicht, wie es passiert. Zum ersten Mal ist es vor sechs Jahren passiert, und
seitdem ungefähr jede Nacht. Bis jetzt. Bis vor ... mal sehen ... bis vor
dreihundertdreiundzwanzig Zyklen.«
»Zyklen.«
»Tagen, Peter.«
»Michael, ich habe keine Ahnung, was das
bedeutet.«
»Es bedeutet, dass entweder jemand eine
Möglichkeit gefunden hat, die Akkus wieder aufzumöbeln, was ich ernsthaft
bezweifeln möchte - oder dass sie keinen Strom mehr beziehen.«
Alicia runzelte die Stirn. »Das ergibt keinen
Sinn. Warum sollten sie das nicht tun?«
Michael zögerte, und Peter sah die Antwort in
seinem Gesicht. »Weil jemand das Licht abgeschaltet hat.«
Sie verbrachten eine ruhelose Nacht im Kraftwerk
und zogen am nächsten Morgen weiter. Gegen Halbtag hatten sie Banning hinter
sich gelassen und den Aufstieg begonnen. Als sie im Schatten einer hohen
Kiefer rasteten, wandte Alicia sich an Peter.
»Nur für den Fall, dass Michael sich irrt und
wir verhaftet werden: Ich werde sagen, dass ich diese Männer getötet habe. Das
sollst du wissen. Was immer dann kommt, werde ich auf mich nehmen, aber dich
sollen sie nicht bekommen. Und Amy oder Akku werden sie nicht anrühren.«
Damit hatte er mehr oder weniger gerechnet.
»Lish, das brauchst du nicht zu tun. Ich glaube auch nicht, dass Sanjay jetzt
noch etwas unternehmen
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